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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Pro­blem.“
    „Saat­gut“, grü­bel­te Bru­der Paul. „Wel­ches ist der kleins­te Sa­men?“
    „Senf“, ant­wor­te­te Je­sus prompt.
    „Kann man die Bot­schaft der Schrift nicht so all­ge­mein for­mu­liert dar­bie­ten? Nimm das klei­ne Senf­korn und wie man es in frucht­ba­re Er­de le­gen muß, ge­nau wie man die mensch­li­che See­le …“
    „Und das kleins­te Sa­men­korn wird zum größ­ten al­ler Bäu­me, in dem Vö­gel ih­re Nes­ter bau­en kön­nen“, be­en­de­te Je­sus den Satz. „Ja, das ver­ste­hen sie viel­leicht.“
    „Die Kraft der Pa­ra­bel“, mein­te Bru­der Paul. „Ei­ne klei­ne volks­tüm­li­che Ge­schich­te, aus ver­trau­ten Din­gen zu­sam­men­ge­setzt, um ein Ge­bot der Schrift zu ver­deut­li­chen. So könn­te man den ge­mei­nen Mann er­rei­chen, den man an­sons­ten nie er­reicht.“
    „Dar­über muß ich nach­den­ken“, sag­te Je­sus. „Ich ken­ne die Schrift gut, und ich ken­ne auch das ein­fa­che Le­ben. Wenn man die­se bei­den ver­ei­ni­gen könn­te, die Re­li­gi­on und die Rea­li­tät …“
    „Dann hö­ren viel­leicht vie­le Leu­te zu“, be­en­de­te Bru­der Paul den Satz für ihn. „Und sie ver­ste­hen es. Und es nützt ih­nen. Weil zum ers­ten Mal ein Leh­rer ih­re Spra­che spricht, an­statt au­gen­schein­lich das Wort Got­tes vor ih­nen zu ver­ber­gen.“
    „Doch die Ho­he­pries­ter vom Tem­pel wer­den es nicht er­lau­ben.“
    „Warum im Tem­pel blei­ben? In mei­nem Land nennt man die­je­ni­gen, die sich wei­gern, ih­re Kennt­nis der rea­len Welt mit­zu­tei­len, ‚El­fen­bein­turm­ge­lehr­te’. Es ist, als sei­en sie in ih­re Tür­me aus ge­bleich­ten Kno­chen ein­ge­sperrt, die sie sel­ber ge­fer­tigt ha­ben, die viel­leicht hübsch zu be­woh­nen sind … aber mit den prak­ti­schen Aspek­ten des Le­bens nicht mehr viel zu tun ha­ben. Dei­ne Bot­schaft ge­hört hin­aus auf Feld und Wald und Meer, wo die Men­schen le­ben.“
    Je­sus nick­te. „Die Bot­schaft un­ter das Volk brin­gen …“
    Bru­der Paul ent­klei­de­te sich und ging hin­ab zu dem Teich. Am Ufer blieb er ste­hen, dreh­te sich um und war­te­te auf Je­sus.
    Die bei­den nack­ten Män­ner starr­ten ein­an­der an. „Du bist ja ein Nicht-Ju­de?“ rief Je­sus er­schro­cken.
    „Und du …“ be­gann Bru­der Paul, konn­te je­doch nicht wei­ter­re­den. Denn Je­su Ge­schlechts­or­gan war son­der­bar ver­än­dert. So­gleich be­müh­te sich Bru­der Paul, sei­ne Re­ak­ti­on zu ver­ber­gen. „Ja, ich bin kein Ju­de. Ich bin nie be­schnit­ten wor­den. Aber ich eh­re vie­le der Din­ge, die du ver­ehrst, und dar­un­ter auch die Schrift.“
    „Aber du stehst au­ßer­halb des Glau­bens!“
    Bru­der Paul lä­chel­te. „Ist es nicht für einen Men­schen mög­lich, au­ßer­halb des Glau­bens zu ste­hen – ja, auch Hei­de zu sein – und den­noch ein wert­vol­ler Mensch? Be­gin­nen nicht ei­ni­ge, zum Bei­spiel die Sa­ma­ri­ter, als Hei­den und su­chen den­noch die Er­leuch­tung?“
    Je­sus dach­te nach, dann nick­te er. „Ja, ge­wiß. Es gibt Men­schen, die wan­deln in der Fins­ter­nis und se­hen dann ein großes Licht. Es sind gu­te Men­schen, die nur der Füh­rung be­dür­fen. Viel­leicht auch die Sa­ma­ri­ter.“ Er zog ei­ne Gri­mas­se. „Wenn es nur ei­ne pas­sen­de An­lei­tung gä­be! Die Schrift­ge­lehr­ten sind zu Heuch­lern ge­wor­den, die im Tem­pel Ver­güns­ti­gun­gen ver­kau­fen und Schriftsprü­che ver­kün­den, die sie we­der be­grei­fen noch da­nach han­deln.“
    „Das ist un­glück­lich“, mein­te Bru­der Paul. Je­sus er­kann­te das Pro­blem ge­nau, schi­en aber zur Zeit nicht vor­zu­ha­ben, sel­ber ir­gend et­was da­ge­gen zu tun. Wo war der gött­li­che Fun­ke? „Je­mand soll­te hin­ge­hen, und sie auf ih­ren Irr­tum auf­merk­sam ma­chen.“
    „Je­mand soll­te hin­ge­hen und die Händ­ler und Die­be ver­trei­ben und die Ti­sche der Wechs­ler um­sto­ßen“, rief Je­sus hef­tig aus. „Der Tem­pel ist der Ort des Ge­bets und nicht der Ge­schäf­te!“ Doch nach ei­nem Au­gen­blick reg­te er sich wie­der ab und blick­te an sich her­ab. „Was mich be­trifft … ich wur­de in ei­nem Stall ge­bo­ren, und ei­ni­ge mei­nen, das

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