Die Visionen von Tarot
„Ja, ich habe schon einmal einen Hund dabei beobachtet. Aber ich bin kein Hund.“
„Vielleicht fangen wir besser mit einer für Menschen typischen Technik an“, schlug Bruder Paul vor. „Damit kann man einfach nicht untergehen, wie lange man auch im Wasser bleibt. Hole einfach tief Luft, halte den Atem an und schwebe direkt unter der Wasseroberfläche, wobei du dich völlig entspannen mußt. Deine Füße werden herabsinken, aber dein Kopf bleibt fast oben. Und wenn du Luft brauchst, dann schlage mit den Armen nach unten. Dann kommt dein Kopf hoch … mach deinen Körper gerade, hole Luft … und laß dich wieder sinken. Du wirst vielleicht kalt dabei, aber niemals erschöpft.“
Bald unternahm Jesus mit der ermutigenden Hilfe von Bruder Paul die ersten Züge. Es gefiel ihm außerordentlich gut. „Gott hat mich erhöht! Ich habe etwas gelernt, wozu ich mich nie für fähig gehalten habe!“
„Ja“, stimmte Bruder Paul ihm zu. „Aber sorge dafür, daß immer jemand in der Nähe ist, wenn du übst. Wasser ist gefährlich, wenn man nicht richtig damit vertraut ist. Und nun gehen wir besser hinaus, ehe wir zu frieren beginnen.“
Jesus blickte ihn sonderbar an. „Mir ist nicht kalt.“
„Wahrscheinlich hast du viele kühle Nächte im Freien bei deiner Herde verbracht.“ Wo waren diese Schafe eigentlich? Wahrscheinlich in der Obhut eines jüngeren Bruders, da Jesus bald das Bürgeralter erreicht hatte. „Ich bin nicht so abgehärtet wie du.“ Dieses Mal ein echtes Kompliment.
„Du siehst stark aus“, meinte Jesus. „Aber es stimmt. Jeder Hirte muß sich an die Hitze des Tages und die Kälte der Nacht gewöhnen.“ Ungleichmäßig machte er ein paar Züge auf das Ufer zu, und Bruder Paul, der weiter hineingeschwommen war, stieß zu ihm.
Dabei bemerkte Bruder Paul etwas, das auf dem Grunde des Sees lag. Es war eine runde blanke Metallscheibe. Das war sonderbar. Warum war sie nicht durch Ablagerungen bedeckt?
Jesus bemerkte seine Reaktion darauf. „Der Boden ist wie Kupfer und immer sauber. Ich weiß nicht, warum. Das ist die Stelle von dem heidnischen Tempel. Alles außer dem Altar ist verschwunden.“
Ein Kupferboden? Hier, im ersten Jahrhundert? Womöglich handelte es sich um einen heidnischen Tempel, aber Kupfer in einer solchen Menge schien kaum glaublich. Bruder Paul vergaß das kalte Wasser. „Ich sehe mir das einmal an.“
„Warte ein paar Tage“, schlug Jesus vor. „Dann ist das Wasser fort, und du kannst es direkt betrachten.“
„Dazu habe ich, wie ich fürchte, keine Geduld“, entgegnete Bruder Paul. Er tauchte mit kräftigen Zügen zum Grund. Das Wasser war nur wenige Fuß tief.
Aus der Nähe schien das Metall noch glänzender. Kupfer? Es sah aus wie Gold. Seine Finger fuhren durch das klare Wasser, als wollten sie die geheimnisvolle Substanz berühren. Was tat ein solcher Anachronismus hier?
Kontakt! Irgend etwas durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag, aber ohne Schmerz. Aus der Scheibe blitzte ein helles Licht auf, bildete im Wasser eine Säule und umstrahlte ihn. Bruder Paul fühlte sich auf sonderbare Weise hochgehoben, obwohl er sich überhaupt nicht bewegte.
Doch er hatte kaum noch Luft zum Atmen. Er schwamm an die Oberfläche und bemühte sich, die Lichtsäule hinter sich zu lassen. „Jesus!“ rief er. „Hier ist etwas Sonderbares!“
„Ich sehe es, Paul. Hast du da unten ein Licht angezündet?“
Bruder Paul schnaubte über diese Art von Humor. „Ich habe nur das Metall berührt, und es glühte auf. Das verstehe ich nicht!“
„Laß mich nachsehen“, meinte Jesus. Vorsichtig und steifbeinig watete er durch den Teich. In einem Augenblick hatte er das Licht erreicht, das sich nun oberhalb des Wasser erstreckte und noch oben entschwand.
Plötzlich glühte Jesus
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