Die Visionen von Tarot
Jahre vor meiner Geburt.“
„2400 v. Chr.“, murmelte Bruder Paul, fasziniert von dieser sonderbaren Geschichte aus dem Munde dieses Phantomjesu. Diese Parabel hatte er noch nie gehört! Nun flogen sie so hoch, daß sie unter sich die Erdkrümmung sehen konnten. Sie flogen in östlicher Richtung über den Rand des Indischen Ozeans auf die riesige Landmasse Asiens zu. Wohin führte bloß diese Animation?
„In Amerika vermehrten sie sich und gediehen zu einer blühenden Nation“, fuhr Jesus fort. „Aber dann spalteten sie sich in untereinander zerstrittenen Parteien auf und starben nach etwa achtzehnhundert Jahren wieder aus. Aber ungefähr zu jener Zeit machte sich eine zweite Expedition von Jerusalem aus auf den Weg, sechshundert Jahre vor meiner Geburt. Angeführt wurden sie von einem jüdischen Propheten namens Lehi aus dem Stamm der Manasser, seiner Familie und seinen Freunden. Sie zogen bis an das Arabische Meer und bauten ein Schiff und machten es bereit. Dann segelten sie nach Osten zum Südpazifik, bis sie an der Westküste Amerikas landeten. Das war ihr Land der Verheißung – aber wie bei der ersten Kolonie, spalteten auch sie sich in zwei Stämme auf, die Nephiten und die Lamaniten. Die Nephiten vervollkommneten die Errungenschaften der Zivilisation und bauten blühende Städte, während die Lamaniten immer mehr herunterkamen. Sie vergaßen den Gott ihrer Väter, wurden zu wilden Nomaden, sanken herab im Geiste und bekamen dunkle Haut wie die verfluchten Kinder Kains.“
„Die Kinder Kains?“ fragte Bruder Paul. Sie befanden sich nun mitten über dem Pazifik, immer noch auf dem Weg nach Osten.
„Die Bösen. Die schwarze Rasse“, verdeutlichte Jesus.
Bruder Paul war absolut erstaunt. „Meinst du die schwarzen Rassen Afrikas?“
„Das ist das gleiche. Sie haben die Macht der Heiligen Priesterschaft geleugnet und das Gesetz Gottes mißachtet. So wurden sie mit der schwarzen Haut gestraft, die ihrem schwarzen Herzen entspricht.“
Das sollte Jesus Christus gesagt haben? Das konnte nicht stimmen! Es mußte Lee, der Mormone sein. Bruder Paul hatte nicht gewußt, daß die Mormonen Schwarze in einem solchen Licht sahen. „Gewiß ist das ein Irrtum. Da alle Menschen außer Noah und seiner Familie in der Sintflut untergingen, können keine Nachkommen Kains überlebt haben.“
„Es durchzog Noahs Stamm, dieses schlechte Blut“, beharrte Lee. „Harn, der Sohn Noahs, fürchtete, es würde nach der Flut weitere Nachkommen geben, die sich das Erbe der Erde teilen müßten, und er tat sich mit seinen beiden Brüdern Sem und Japhet zusammen, ihren Vater zu kastrieren. Doch diese weigerten sich, denn sie waren gute Söhne. So tat er es allein, als Noah betrunken war …“
„In der Bibel steht nur, daß Harn seinen Vater nackt sah!“ protestierte Paul.
„Man hat die Bibel zensiert“, sagte Lee dunkel. „Aber trotzdem kennen wir die Strafe: Die Kinder Harns wurden zu den Dienern der Kinder Gottes. So erhielt die schwarze Rasse das ihr gemäße Schicksal.
„Ich habe auch schwarzes Blut“, sagte Bruder Paul. „Ich dachte, du wüßtest das.“ Aber er merkte nun, daß Lee bei der Schimpfkanonade, als dies zur Sprache gekommen war, nicht mitgespielt hatte, und sonst war dieses Thema nirgendwo berührt worden. „Bin ich auch verflucht?“
Jesus hielt im Flug inne, und aus seinen Augen blickte der schockierte Lee. „Du hast schwarzes Blut?“
„Ungefähr ein Achtel, wenn man es genau nimmt. Technisch gesehen bin ich hellhäutiger Negroider.“
Jesus schüttelte den Kopf. „Nein, nein, das kann nicht sein. Du bist ein guter Mensch!“
„Ich hoffe, es zu sein oder es zu werden! Aber ich bin auch ein Schwarzer. Darin sehe ich keinen
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