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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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fand die Stu­fe.
    Es war ei­ne Wen­del­trep­pe. Bru­der Paul neig­te zum zwang­haf­ten Zäh­len; in den letz­ten Jah­ren hat­te er oft ver­sucht, sich die­se Ge­wohn­heit aus­zu­trei­ben, aber un­ter Streß kehr­te der Drang zu­wei­len un­wi­der­steh­lich zu­rück. Er muß­te wis­sen, wie­viel es von al­lem gab, was ihm be­geg­ne­te, wie un­wich­tig es auch im­mer sein moch­te. Er zähl­te drei­ßig Stu­fen, ehe der Gang wie­der eben wur­de.
    Hier kam ei­ne wei­te­re Tür – oh­ne Zwei­fel aus Bron­ze –, die lei­se ge­öff­net und, nach­dem sie hin­durch­ge­gan­gen wa­ren, auch wie­der ge­schlos­sen wur­de. Of­fen­sicht­lich kann­ten die Thes­mo­the­ten die­ses La­by­rinth aus­wen­dig, denn sie fan­den un­be­irrt ih­ren Weg. In die­sem neu­en Gang war die Luft küh­ler, aber nicht schal. Das ließ an ein gu­tes Ent­lüf­tungs­sys­tem den­ken, denn er be­fand sich in ei­ner ver­gan­ge­nen Zeit – Jahr­tau­sen­de vor Er­fin­dung der Kli­ma­an­la­ge.
    Er hör­te das Echo sei­ner Schrit­te und ge­wann den Ein­druck ei­ner großen, run­den Kam­mer. Er dach­te an ei­ne Ge­schich­te, die er einst ge­le­sen hat­te, Ed­gar Al­len Poes Gru­be und Pen­del, und sei­ne Ner­vo­si­tät nahm zu. Aber sei­ne Füh­rer blie­ben na­tür­lich ne­ben ihm – man wür­de die Grup­pe nicht in ir­gend­ein Ver­lies fal­len las­sen, ob nun mit Pen­del oder oh­ne.
    Plötz­lich blie­ben bei­de Thes­mo­the­ten ste­hen; der Arm des Man­nes hielt Bru­der Paul auf. „Wir ste­hen am Ran­de ei­nes Ab­grun­des“, sag­te er. „Ein Schritt wei­ter, und du wirst hin­ab­fal­len.“
    Aha. Wä­re Bru­der Paul al­lein hier­her­ge­kom­men, wä­re er in die­ser Fins­ter­nis un­wei­ger­lich hin­ab­ge­fal­len. Er hät­te ein Licht mit­brin­gen sol­len – aber dann hät­ten sie ihn wohl nicht hin­ein­ge­las­sen. „Ich wer­de war­ten“, sag­te er. Er woll­te ge­ra­de nach dem Sinn die­ses Gan­ges zum Ab­grund fra­gen, dach­te aber ge­ra­de noch dar­an, daß er kei­ne Fra­gen stel­len durf­te.
    Doch sei­ne un­aus­ge­spro­che­ne Fra­ge wur­de be­ant­wor­tet. „Die­ser Ab­grund“, be­gann der Mann, „um­gibt den Tem­pel der Mys­te­ri­en und schützt ihn vor Toll­kühn­heit und Neu­gier des Pro­fa­nen. Wir sind ein we­nig früh an­ge­kom­men; un­se­re Brü­der ha­ben die Zug­brücke noch nicht her­ab­ge­las­sen, über die die In­iti­ier­ten an die­sen hei­li­gen Ort ge­lan­gen. Wir wer­den auf ih­re An­kunft war­ten. Aber wenn dir dein Le­ben lieb ist, be­we­ge dich nicht, bis wir es dir sa­gen.“
    Er­mahn­te der Thes­mo­thet zu­viel? Viel­leicht gab es einen Ab­grund, viel­leicht aber auch nicht. Aber Bru­der Paul konn­te es sich kaum leis­ten, in der An­nah­me fort­zu­schrei­ten, es gä­be gar kei­ne Be­dro­hung. Nicht nach den Ge­scheh­nis­sen in den an­de­ren Ani­ma­tio­nen. Die­ses Mal war al­les so ar­ran­giert, daß sei­ne Kon­trol­le über be­stimm­te Din­ge auf Null ge­sun­ken war. Er war die­sen an­ony­men Leu­ten aus­ge­lie­fert von dem Au­gen­blick an, in dem er die Sphinx be­tre­ten hat­te. Aber er war ja frei­wil­lig ge­kom­men, war auf der Schwel­le zum Un­be­kann­ten, und wenn die Ant­wort hier lag …
    Plötz­lich fun­kel­te Licht auf, das nach der tie­fen Dun­kel­heit blen­dend wirk­te. Vor ihm stan­den zwei gro­tes­ke Un­ge­heu­er, bei­de in wei­ße Ro­ben ge­klei­det, ei­ner mit ei­nem gol­de­nen Gür­tel und Lö­wen­kopf, der an­de­re mit sil­ber­nem Gür­tel und Och­sen­kopf. Ge­ra­de als sich sei­ne Au­gen dar­an ge­wöhnt hat­ten und er sie be­trach­ten konn­te, öff­ne­te sich zwi­schen ih­nen ei­ne Fall­tür. Dar­aus er­hob sich ei­ne schau­der­haf­te Er­schei­nung, die ei­ne Si­chel schwang. Sie er­in­ner­te auf höchst ein­dring­li­che Wei­se an das Ske­lett des To­des im Ta­rot­spiel. Mit fürch­ter­li­chem Brül­len schwang es die Sen­se auf Bru­der Pauls Kopf zu.
    Sein ers­ter In­stinkt be­fahl ihm zu­rück­zu­wei­chen, um aus der Reich­wei­te der Waf­fe zu ge­lan­gen. Der zwei­te sag­te ihm, sich un­ter der Klin­ge weg­zu­du­cken, um mit der Er­schei­nung zu rin­gen. Aber der drit­te über­wand die bei­den

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