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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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ers­ten: Er blieb wie er­starrt ste­hen.
    Die Klin­ge schwang so dicht über sei­nen Kopf hin­weg, daß sie ihm hät­te ein Haar spal­ten kön­nen. Ei­ne klei­ne Lo­cke fiel so­gar über sei­ne Stirn her­ab. „We­he dem, der den Frie­den der To­ten stört“, schrie das Un­ge­heu­er, wir­bel­te voll­stän­dig her­um und hol­te zum zwei­ten Mal mit der Si­chel zum Schlag aus. Doch wie­der er­kann­te er den Weg der Klin­ge im vor­aus und zuck­te nicht zu­rück. Das war Angst­ma­che­rei, kein ernst­haf­ter An­griff, ein Test für sei­nen Mut, auf den ihn sein Ju­do­trai­ning gut vor­be­rei­tet hat­te.
    Noch vier­mal kam die Si­chel auf ihn zu, und je­des Mal blieb er un­ge­rührt ste­hen. Doch beim sieb­ten Mal be­weg­te sich die Ge­stalt: Die­ses Mal ging es ihm an den Kra­gen!
    Bru­der Paul nahm das Ri­si­ko in Kauf und blieb ste­hen. Ge­wiß hat­te man nicht die­se aus­ge­fal­le­ne Um­ge­bung prä­sen­tiert, um einen Men­schen zu exe­ku­tie­ren, der kei­nen Wi­der­stand leis­te­te. Und als die Klin­ge ihn be­rühr­te – ver­schwand das Un­ge­heu­er. Es fiel in sein Loch zu­rück, und die Fall­tür schloß sich. Auch dies war ein Bluff ge­we­sen, die Be­dro­hung war sub­stanz­los.
    Nun leg­ten Bul­le und Lö­we ih­re Mas­ken ab. Zum ers­ten Mal sah Bru­der Paul die Ge­sich­ter: The­ri­on und Ama­ranth.
    „Mei­nen Glück­wunsch“, sag­te The­ri­on. „Du hast die Käl­te des mör­de­ri­schen Stahls ge­spürt und bist nicht zu­rück­ge­wi­chen, du hast das Ent­set­zen der Ent­set­zen er­blickt und bist nicht ohn­mäch­tig ge­wor­den. Gut! Sehr gut! In dei­nem Land wür­dest du als Held gel­ten.“ Er run­zel­te die Stirn. „Aber bei uns gibt es hö­her­ste­hen­de Tu­gen­den als Mut. Worin be­steht dei­ner Mei­nung nach die Be­deu­tung un­se­rer Klei­dung?“
    Bru­der Paul hat­te es be­reits her­aus­ge­fun­den. „Du bist der Lö­we, ein Teil der Sphinx mit dem gol­de­nen Gür­tel, was den astro­lo­gi­schen Lö­wen und die Son­ne dar­stellt. Sie, mas­kiert als Bul­le, ist ein wei­te­rer Aspekt der Sphinx – Stier und Mond. Son­ne und Mond zu­sam­men sol­len ge­mein­sam auf die Men­schen­we­sen die stärks­ten Ein­flüs­se aus­üben. Aber der Mensch lebt nicht al­lein durch Son­ne und Mond; es gibt noch den grau­sa­men Ein­fluß der Zeit, die die Chan­ce ei­nes früh­zei­ti­gen To­des birgt …“
    „Du bist auf höchst be­ein­dru­cken­de Wei­se ge­scheit“, sag­te The­ri­on. „Aber wir ken­nen noch einen Wert, der uns mehr gilt als Klug­heit. Näm­lich die De­mut, die über Ei­tel­keit und Stolz tri­um­phiert. Bist du zu ei­nem sol­chen Sieg über dich selbst im­stan­de?“
    Der kör­per­li­che Test war al­so vor­bei. Nun war Bru­der Paul für den mo­ra­li­schen be­reit. „Ich bin be­reit, es her­aus­zu­fin­den.“
    „Sehr gut“, mein­te The­ri­on. „Bist du be­reit, flach auf den Bo­den ge­preßt zum in­ners­ten Hei­lig­tum zu krie­chen, wo un­se­re Brü­der auf dich war­ten, um dir als Ge­gen­leis­tung für dei­ne De­mut das Wis­sen und die Macht zu ge­ben, die du suchst?“
    Warum die­se zwei­te Her­aus­for­de­rung? Er such­te doch wirk­lich nicht nach Macht. Aber er schi­en kei­ne an­de­re Wahl zu ha­ben, als es zu ak­zep­tie­ren. „Ich bin be­reit.“
    „Dann nimm die­se Lam­pe“, sag­te The­ri­on. „Es ist das Bild­nis von Got­tes Ant­litz, das uns folgt, wenn wir vor den Bli­cken der Men­schen ver­bor­gen ein­her­ge­hen. Geh oh­ne Furcht – von nun an brauchst du nur noch vor dir sel­ber Angst zu ha­ben.“
    Bru­der Paul dach­te an sein Er­leb­nis mit den sie­ben Kel­chen und war nicht be­un­ru­higt. Wel­che an­de­ren Schau­der­haf­tig­kei­ten lau­er­ten auf ihn … in ihm sel­ber? Er nahm die Lam­pe und sah sich um. Die Kam­mer war aus Gra­nit­stei­nen kup­pel­för­mig ge­baut; es gab we­der Ein­gang noch Aus­gang. Aber wie­der­um hielt er sich an die Wei­sung und stell­te kei­ne Fra­gen.
    Nach ei­nem Mo­ment be­rühr­te Ama­ranth ei­ne an­de­re ver­bor­ge­ne Fe­der in der Mau­er. Ei­ne Ei­sen­plat­te glitt zur Sei­te. Sie war mit Gra­nit be­deckt, um wie ein Stein­block aus­zu­se­hen, wenn sie an der rich­ti­gen Stel­le saß. Da­hin­ter

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