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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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ge­nug.
    „Dad­dy, er­zähl mir die Ge­schich­te von den Zen­su­ren, die es ei­gent­lich gar nicht gab“, sag­te Ca­ro­lyn fröh­lich, wäh­rend sich ih­re Auf­merk­sam­keit von den tau­meln­den Wol­ken lös­te. Al­les, was län­ger als fünf Mi­nu­ten dau­er­te, be­saß bei ei­nem Kind die­ses Al­ters kei­nen Reiz mehr.
    Aber die Ge­heim­zen­su­ren – wie konn­te sie dar­über Be­scheid wis­sen? Er muß­te es ihr frü­her ein­mal er­zählt ha­ben, und nun zeig­te sie die Kehrsei­te der kurz­fris­ti­gen Auf­merk­sam­keit: Sie hat­te es gern, wenn sie ver­trau­te Ge­schich­ten oft hör­te, und zwar im­mer mit den glei­chen Ein­zel­hei­ten.
    Nun, es nutz­te oh­ne­hin nichts, wenn sie sich zu sehr auf die Wol­ken kon­zen­trier­ten, die so ge­fähr­lich vor­beis­aus­ten, oder auch auf die ers­ten An­zei­chen von Flug­krank­heit. Er schloß al­so die Au­gen vor den all­zu of­fen­sicht­lich pla­zier­ten Tü­ten für den Fall des Er­bre­chens, die man in be­que­mer Reich­wei­te hin­ter die Leh­nen der Vor­der­sit­ze ge­steckt hat­te, und er­zähl­te (noch ein­mal?) von den nicht exis­tie­ren­den Zen­su­ren. Ca­ro­lyn hat­te be­reits ge­lernt, Zen­su­ren zu ver­ach­ten, und sie hör­te gern et­was über sei­ne wohl­be­grün­de­te Ab­nei­gung ge­gen­über die­sem Sys­tem. All­mäh­lich kam ihm selbst die Sze­ne wie­der vor Au­gen. Er er­leb­te al­les noch ein­mal, wenn er auch die Wor­te ihr ge­gen­über wie­der­um ein­fach wähl­te, da­mit sie es bes­ser be­griff.
    Im Col­le­ge gab es kei­ne Ab­schluß­prü­fun­gen. Das war ei­ner der Haupt­an­zie­hungs­punk­te: die Frei­heit vom Druck durch Prü­fun­gen, durch die An­zahl ir­gend­wel­cher Punk­te und al­ler üb­len Be­gleiter­schei­nun­gen. Paul konn­te es nicht lei­den, auf schu­li­scher Ebe­ne mit je­nen in Wett­be­werb zu tre­ten, die mo­gel­ten – dies hat­te ihm das gan­ze Prü­fungs­sys­tem ver­lei­det. Denn wenn er auch sel­ber nicht mo­gel­te, so war doch sei­ne Stel­lung in ei­nem Kurs durch die­je­ni­gen be­ein­flußt, die es ta­ten. So hat­te er im­mer schlech­te­re Zen­su­ren er­hal­ten als die­je­ni­gen, de­nen er ei­gent­lich über­le­gen war. Dar­über hin­aus blie­ben Prü­fun­gen, selbst wenn sie auf ehr­li­che Wei­se ab­ge­legt wur­den, un­zu­rei­chend, und das ge­fiel ihm nicht. Er lern­te lang­sam aber gut und be­hielt das Wis­sen län­ger als der Durch­schnitt im Kopf, er­wei­ter­te es so­gar manch­mal, wenn die Prü­fun­gen schon vor­über wa­ren. An­de­re ver­ga­ßen al­les wie­der, so­bald die Prü­fung ge­lau­fen war. Doch die Zen­su­ren spie­gel­ten nicht ihr be­hal­te­nes oder ver­wer­te­tes Wis­sen wi­der, son­dern le­dig­lich das Prü­fungs­er­geb­nis. Hier im Col­le­ge gab es kein Mo­geln, denn man konn­te nie­man­den be­trü­gen. Es gab kei­ne nächt­li­chen Pauk­sit­zun­gen, kei­ne zir­ku­lie­ren­den Ko­pi­en von den letz­ten Prü­fungs­fra­gen, kei­ne straf­wei­se Zu­rück­set­zung von er­teil­ten Zen­su­ren, kei­ne Re­pe­ti­to­ri­en. Man hat­te ein großes Übel des Sys­tems aus­ge­rot­tet.
    Statt des­sen wur­den am En­de ei­nes je­den Tri­mes­ters von drei Per­so­nen Be­rich­te ab­ge­ge­ben: dem Stu­dien­lei­ter, dem Stu­den­ten sel­ber und dem Tu­tor. Aus die­sen drei Be­ur­tei­lun­gen wur­de ei­ne Be­wer­tung oh­ne Zen­su­ren oder Zah­len her­aus­ge­fil­tert und den Ak­ten des Stu­den­ten bei­ge­ge­ben. Und das war al­les.
    So stand es zu­min­dest in dem Pro­spekt für das Col­le­ge.
    Paul hat­te es wäh­rend sei­ner ge­sam­ten Stu­di­en­zeit auch ge­glaubt: vier Jah­re lang. Be­freit von dem Alp­traum der Ab­schluß­prü­fung, hat­te er sich an­de­ren Ge­bie­ten der Aus­bil­dung wie Folks­in­ging, Tisch­ten­nis und den Frus­tra­tio­nen und Freu­den des Um­gangs mit dem an­de­ren Ge­schlecht ge­wid­met. Doch sei­ne of­fi­zi­el­len Kur­se hat­te er nicht ver­nach­läs­sigt. Ei­gent­lich hat­te er ei­ne gan­ze Men­ge ge­lernt, was ihm in den spä­te­ren Jah­ren auch nütz­lich war. Aber die Kur­se wa­ren le­dig­lich ein Teil sei­ner Er­zie­hung ge­we­sen und nicht das Ei­gent­li­che. Er hat­te

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