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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Stu­den­ten Sym­pa­thie. Dar­über hin­aus be­fand sich das Col­le­ge zu die­sem Zeit­punkt in ei­ner noch aku­te­ren als ge­wöhn­li­chen Fi­nanz­kri­se; in den letz­ten Mo­na­ten hat­ten nicht ein­mal al­le Lehr­kräf­te ihr Ge­halt be­kom­men. Al­le wuß­ten ge­nau, daß das Col­le­ge viel­leicht schlie­ßen wür­de. Doch an­ge­sichts die­ses mo­ra­li­schen und prak­ti­schen Drucks wäh­rend des Auf­ruhrs hat­te le­dig­lich ein Leh­rer den Mut, dies aus­zu­spre­chen. Er tat dies bei der stu­den­ti­schen Pro­test­ver­samm­lung in An­we­sen­heit des Prä­si­den­ten. Mit wohl­ge­setz­ten Wor­ten un­ter­stütz­te er be­stimm­te stu­den­ti­sche Po­si­tio­nen und stritt ab, daß der Prä­si­dent für die ge­sam­te Fa­kul­tät spre­che. Da die­ser Ab­spruch aber er­ho­ben wor­den war, war Will na­he dar­an, ihn mit be­red­ter Zun­ge einen Lüg­ner zu nen­nen. Will Ham­lin, Pauls Tu­tor.
    „Und das“, schloß Paul, wäh­rend das Flug­zeug lang­sam tiefer ging, „war Will Ham­lin – der ein­zi­ge, der den Nerv be­saß, of­fen aus­zu­spre­chen, was er dach­te, wenn es auch sei­ne Po­si­ti­on am Col­le­ge ge­fähr­de­te. Zu die­sem Zeit­punkt wur­de die­se mu­ti­ge Hand­lung durch die Kom­ple­xi­tät der Si­tua­ti­on über­deckt. Die an­de­ren küm­mer­ten sich nicht wei­ter dar­um oder hat­ten es gar nicht wahr­ge­nom­men. Für sei­ne Rech­te ein­tre­ten ist oft­mals ei­ne un­dank­ba­re Auf­ga­be. Aber ich ha­be es nie ver­ges­sen. Viel­leicht wur­de mei­ne spä­te­re Prin­zi­pi­en­treue durch die­ses Bei­spiel an­ge­regt.
    In spä­te­ren Jah­ren er­hielt ich ge­le­gent­lich Bit­ten um fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung für das Col­le­ge, die von ei­nem der Ko­mi­tee­mit­glie­der un­ter­zeich­net wa­ren. Es war nur ein Rou­ti­ne­schrei­ben, doch die Un­ter­schrift är­ger­te mich, und ich ha­be nichts da­zu bei­ge­tra­gen. Aber die­ses Mal war ich an ihn her­an­ge­tre­ten – und ihm konn­te ich mich nicht be­wußt ver­wei­gern. Jetzt scheint er der ein­zi­ge von da­mals zu sein, der noch heu­te, zwan­zig Jah­re spä­ter, am Col­le­ge ar­bei­tet.“
    Zwan­zig Jah­re spä­ter? hör­te Paul sich sa­gen, und er wun­der­te sich. Denn er hat­te erst vor zehn Jah­ren sei­nen Ab­schluß ge­macht. Nun wur­de ihm auch das an­de­re Rät­sel wie­der be­wußt: Wie konn­te die­ses Kind nach ei­nem Mann aus Bru­der Pauls Ver­gan­gen­heit fra­gen? Das war ein un­wahr­schein­li­cher Zu­fall – aber ir­gend­wie schi­en es auch zu­sam­men­zu­hän­gen. Er konn­te sich fast er­in­nern …
    „Dad­dy, mir tun die Oh­ren weh!“ sag­te Ca­ro­lyn.
    Die un­mit­tel­ba­re Rea­li­tät schob sei­ne Ge­dan­ken bei­sei­te. „Das ist der Druck“, sag­te er. „Wenn das Flug­zeug nie­der­geht, wird die Luft …“ Aber sie ver­zog ihr klei­nes Ge­sicht vor Un­be­ha­gen; das war kein Zeit­punkt für ei­ne ver­nünf­ti­ge Er­klä­rung. „Ver­such, dir die Oh­ren zu blo­ckie­ren“, sag­te er. „Halt die Na­se zu und bla­se. Fest. Fes­ter!“
    Schließ­lich klapp­te es. Sie ent­spann­te sich und wisch­te sich ei­ne Trä­ne fort. „Das fand ich nicht schön“, mein­te sie.
    Er konn­te es ihr nicht übel­neh­men. Er sel­ber hat­te kein Un­be­ha­gen ver­spürt, aber er wuß­te, daß der Druck auf das Trom­mel­fell schmerz­haft sein konn­te, be­son­ders bei ei­nem Kind, das die Ur­sa­che nicht be­griff.
    Nun senk­te sich das Flug­zeug durch die Wol­ken­de­cke – und man sah die Stra­ßen und Häu­ser von Bo­ston.
    Bru­der Paul wuß­te, daß er sich nicht mehr auf dem Pla­ne­ten Ta­rot be­fand. Zu­min­dest nicht sei­ner Wahr­neh­mung nach; dies muß­te ei­ne neue Ani­ma­ti­on sein. Aber sie war son­der­bar und folg­te eher ih­rer ei­ge­nen Rich­tung als sei­nem Wil­len. Will? War da ein Wort­spiel? War es sein Wil­le, sich an Will zu er­in­nern?
    Wenn dies bloß ei­ne neue Vi­si­on war – wie wür­de er hier­nach je­mals wie­der der Rea­li­tät si­cher sein kön­nen? Er war sich so si­cher ge­we­sen, aus ei­ner Ani­ma­ti­on her­aus­ge­kom­men zu sein. Wenn es kei­ne Mög­lich­keit gab, es ge­nau fest­zu­stel­len, ob er nun schlief oder wach­te

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