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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Frei­mut lag zu­gleich et­was Ab­schre­cken­des und Er­fri­schen­des. Es half ei­nem, her­aus­zu­fin­den, wo man ge­nau stand.
    „Viel­leicht stellt sich der Gott von Ta­rot als Ab­ra­xas her­aus“, sag­te Bru­der Paul.
    Die Un­ter­hal­tung mach­te ihn ner­vös, weil Ama­ranth ein­fach zu at­trak­tiv war, in den Ani­ma­tio­nen wie auch im wirk­li­chen Le­ben. Und noch ir­ri­tie­ren­der war, daß sie ihn als ele­men­ta­res We­sen ge­se­hen hat­te, als lust­ver­strick­ten Mann, als einen Spie­ler am Ran­de des Ge­set­zes, als Dro­gen­süch­ti­gen. Sie hat­te den Kot ge­ro­chen. Sie hat­te ge­se­hen, wie die Mas­ke von dem her­ab­ge­ris­sen wur­de, was sich heu­te als sanf­te Re­li­gi­on tarn­te und einst so gänz­lich an­ders ge­we­sen war – und den­noch ver­damm­te sie ihn nicht. Gab es in der mensch­li­chen Sphä­re noch ei­ne an­de­re Frau, die sei­ne psy­chi­sche Nackt­heit er­kann­te, den Schmutz sei­ner See­le, und nicht zu­rück­wich? Er hat­te im Mo­ment nicht die Ab­sicht, ih­rem An­ge­bot nach­zu­ge­ben – doch in der Ani­ma­ti­on war es ihm of­fen­sicht­lich an­ders er­gan­gen.
    Was war denn sein wah­res Selbst?
    Man hör­te einen Schrei – ein un­ge­wöhn­li­ches, un­ir­di­sches Ge­räusch, das ei­nem die Haa­re zu Ber­ge ste­hen ließ und über die Land­schaft zit­ter­te. Ein wil­des Tier – oder et­was noch Schlim­me­res.
    „Groß­fuß!“ rief Ama­ranth. Dann, mit auf­kei­men­dem Ent­set­zen: „Das Kind!“
    Bei­de be­gan­nen, auf den Laut zu­zu­ren­nen. Hier war der Bo­den un­re­gel­mä­ßi­ger, als wol­le er sie, nun, da sie in Ei­le wa­ren, hin­dern. Auf dem Hang wuchs dich­tes Un­ter­ge­hölz – grö­ße­re Wei­den, klei­ne Bäu­me, dich­tes Busch­werk und wur­zel­ar­ti­ge Aus­wüch­se, de­ren Be­deu­tung er nicht kann­te. In sei­nen Ho­sen ver­fin­gen sich Klet­ten und ritz­ten in die Haut. Er duck­te sich, um ei­ne klei­ne, glü­hen­de Mot­te in Knie­hö­he zu um­ge­hen, merk­te dann aber, daß es sich nur um den Blü­ten­stand ei­ner Wald wei­de han­del­te. Mit ei­nem Fuß strau­chel­te er in ei­ner Kuh­le und fiel kopf­über nach vorn, bis er von ei­nem quer lie­gen­den Ast ab­ge­fan­gen wur­de, den er im Dun­keln nicht ge­se­hen hat­te.
    „Nein … hier her­um“, keuch­te Ama­ranth. „Ich ken­ne die­se Ge­gend ein we­nig. Ich bin mit dem Kno­chen­bre­cher hier ge­we­sen, als die Er­schei­nung schwand. Ich bin zwar ge­sund, aber so ren­nen wie du kann ich nicht.“
    Na­tür­lich nicht. Nur we­ni­ge Män­ner rann­ten so schnell wie er – und kei­ne ihm be­kann­te Frau. Das war ein Pro­blem. Sie kann­te die Ge­gend, konn­te aber nicht mit­hal­ten. Er hat­te über­schüs­si­ge Kraft, wür­de sich aber in die­ser un­ver­trau­ten Dun­kel­heit ver­ir­ren. Bei­de muß­ten sie ihr Tem­po her­ab­set­zen.
    Ein wei­te­rer Schrei er­tön­te, schlim­mer als der ers­te. „Großer Gott Ab­ra­xas!“ rief Ama­ranth. „Ret­te das Kind!“
    Bru­der Paul sprang nach vorn, durch die Sor­ge wie elek­tri­siert – und stol­per­te über einen ab­ge­stor­be­nen Baum. Rin­de fuhr ihm über das Ge­sicht, und für einen Au­gen­blick mach­te ihn der auf stie­ben­de Staub fast blind. Die Au­gen brann­ten ihm. Er konn­te nicht schnel­ler; an­dern­falls wür­de er nie­mals dort­hin kom­men.
    „Die­se Schlucht hin­auf“, keuch­te Ama­ranth, ver­mut­lich dicht hin­ter ihm. Sie war wirk­lich ei­ne gu­te Läu­fe­rin – für ei­ne Frau. „Aber paß auf den Fel­sen oben am Grat auf.“
    Bru­der Paul ging lang­sam hin­ter ihr her, leg­te ihr den Arm um die Tail­le und setz­te sie sich auf die Hüf­te. So rasch wie mög­lich trug er sie den Hang hin­auf.
    „Da ist der Fel­sen!“ sagt sie. Er sah nichts, klet­ter­te aber aus der Schlucht her­aus. „Jetzt der Grat … er fällt einen Fuß­breit ab … wir müs­sen sprin­gen …“
    Er wur­de lang­sa­mer, war ver­wirrt: „Oh, nur ein Me­ter.“ Er fand den Grat, ließ sie her­ab, und bei­de spran­gen in die dunklen Schat­ten. Es hät­te auch ein bo­den­lo­ser Ab­grund sein kön­nen wie bei Vul­ka­nen, wenn man nur nach der Sicht­wei­te ge­ur­teilt hät­te. Oh­ne ih­re In­for­ma­ti­on hät­te er den

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