Die Voegel der Finsternis
war der Meinung, dass sie schneller in die Festung kämen, wenn sie offiziell um Einlass baten, als
wenn sie versuchten, heimlich einzubrechen. „Wenn wir so tun, als wollten wir Maeve ausliefern, werden die Wachen uns einlassen", hatte Sara gesagt. „Ich werde mein Messer hinten in den Rocksaum stecken, und wenn wir bei Lord Morlen sind, werde ich ihn töten." „Die Wachen werden uns mit Sicherheit durchsuchen", hatte Dorjan eingewandt.
„Dich werden sie durchsuchen", hatte sie geantwortet „Ich bin für sie keine Bedrohung - ich sehe aus wie eine Nomadin. Und wenn Morlen uns hier in der körperlichen Welt wiedersieht, wird er glauben, wir seien seine Verbündeten. Er wird in unseren Augen sehen, dass wir das Ebe Elixier getrunken haben." „Nur ich nicht", hatte Maeve gesagt. „Halte deine Augen gesenkt, sonst findet er sofort heraus, dass etwas nicht stimmt." Sara hatte richtig begeistert geklungen, als freute sie sich schon auf die Begegnung mit Morlen und seinen Männern. „Und dann, wenn wir ganz dicht bei ihm sind und angreifen können, zeig ihm deine Augen. Das wird ihn ablenken." „Aber wenn er bereits alles weiß, was geschehen ist, seit er uns verlassen hat?", hatte Maeve gefragt. Dorjan hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt. „Bern ist endgültig fort, wer außer ihm könnte wissen, was wir getan haben? Und Morlen hat sich mit dem Traumwenstein geweckt und ist danach sofort hierher geritten. Er kann seitdem nicht mehr geschlafen haben." Maeve aber erinnerte sich daran, dass Morlen wach
gewesen war, als er sie in seinen grauen Augen gefangen genommen und ihren Geist über das Minwendameer in die anderen Reiche entführt hatte. Vielleicht konnte er seinen Körper nicht an einen anderen Ort versetzen wie Dorjan, aber ... „Er drang in meinen Geist ein, als er wach war", hatte sie eingewandt. „Er entlockte mir meine Geheimnisse. Er wird wissen, dass wir lügen.“
„Morlen war sich sicher, dass wir ohne das Ebe Elixier nicht würden fliehen können, sonst hätte er uns nicht allein gelassen. Wenn er unsere Augen sieht, wird er uns glauben." Saras beunruhigenden, grauen Augen nahmen einen milden Glanz an. „Es ist nicht ungefährlich. Aber bis zum Morgen wird Morlen sicherlich wieder schlafen. Das ist unsere einzige Chance." Da hatte Maeve ihrem Plan zugestimmt. Um Jaspers und Devins willen.
Sie banden Fortuna los. Maeve gab der Stute etwas Wasser, dann gingen sie weiter. Schon bald ragte vor ihnen die Festung auf. Sie erinnerte Maeve an eine riesige, rotgelbe Eidechse, ihre hohen, schmalen Fenster starrten sie an wie die Augen eines Reptils. Vor dem Tor wurden sie von einem grauhaarigen Soldaten in abgerissener Uniform aufgehalten. „Wir möchten Lord Morlen sprechen", sagte Dorjan. Die Sklavenzeichnung im Gesicht des Mannes war alt und verwachsen. Er stieß Dorjan mit dem stumpfen Ende seines Messers an. „Und was soll Lord Morlen
wohl von dir wollen, wo er doch gerade den Hinrichtungen beiwohnt?"
Den Hinrichtungen ? Unter Maeves Füßen schien der Wüstensand zu schwanken. Ihr schwindelte. „Wir bringen ihm eine Gefangene", sagte Dorjan und schob Maeve nach vorn.
„Na gut. Wenn jemand dir den Schmutz aus dem Gesicht reibt, kleines Fräulein, findet Lord Morlen vielleicht Gefallen an dir. Aber ich denke nicht im Traum daran, ihn jetzt zu stören. Vielleicht behalte ich dich auch für mich", sagte der Mann lüstern. Er packte Maeve an der Schulter und sie spürte seine Angst und seine Gier - seine Angst vor Lord Morlen und seine Gier nach ihr. Die Angst vor Morlen war stärker. „Ihr Name ist Maeve", sagte Dorjan, „wir erwarten eine Belohnung."
Der Mann runzelte die Stirn. „Maeve? Die Maeve, die er die ganze Zeit hat suchen lassen?" „Genau die."
Er betrachtete sie von oben bis unten. „Kommt mit, alle drei."
Jasper kniff die Augen zusammen und versuchte auch seine Ohren zu verschließen, aber es ging nicht. Er hörte fürchterliches Schlagen, Schreien und Stöhnen.
Als der Kampf zu Ende war, war die Hälfte von Morlens Soldaten tot, und alle, die sie hatten töten sollen. Viele
der Überlebenden waren verwundet. Sie wischten ihre Klingen an den Körpern der Ermordeten ab. Morlen, der kaum ein anerkennendes Wort für den Zindhauptmann fand, befahl Pel, Jaspers Freibrief zu holen. Als er ihn in Händen hielt, wedelte er damit hin und her. Jasper Thorntree."
Jasper konnte es kaum ertragen, seinen Freibrief in Lord Morlens Händen zu sehen. Jasper", sagte Morlen
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