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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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wirst mich nicht länger belästigen."
    Morlen gab Fahd ein Zeichen. Dieser sprang vom Pferd und zog die schwarze Axt aus dem Gürtel. Lorv neigte seinen Kopf bis zum Boden. Der Hauptmann der Zinds schlug dem Knienden den Kopf vom Rumpf, als schlüge er eine reife Melone auf.
    Orlos Mund war plötzlich wie ausgetrocknet und sein Herz schlug bis in die Fingerspitzen. Am liebsten hätte er sich seine brennenden Augen ausgerissen, um nicht sehen zu müssen, was sich vor ihm abspielte. Er verspürte den drängenden Wunsch, sich auf Lord Morlen zu stürzen und auf ihn einzuschlagen. „Danke, Hauptmann." Morlen warf einen Blick auf Orlo. „Lass diesem Sklaven etwas Vahss bringen. Jetzt sogleich."
    Ein gestreifter Handschuh hielt ihm ein orangenes Fläschchen hin. Orlo griff danach und trank das Vahss in einem Zug aus. Dann presste er das leere Fläschchen an seine Brust. Seine zornigen Gedanken verflogen und sein Herz schlug wieder ruhig und gleichmäßig. „Was soll mit den irrtümlich verhafteten Mädchen geschehen?", fragte Fahd.
    „Mach mit ihnen, was du willst, Hauptmann. Die meisten sind hübsch genug, um Sentesans zu werden. Manchmal wächst auch auf einem Misthaufen eine liebliche Blume. Diese Mädchen wären längst verkauft, hätten ihre Familien nur einen Funken Verstand. Es wird ihnen besser gehen als den meisten Sklaven." Hauptmann Fahd zeigte keinerlei Regung. „Soll ich die Väter entschädigen?"
    „Du kannst ihnen etwas Vahss oder zehn Besaets anbieten. Mal sehen, was ihnen lieber ist." Morlen stieg auf sein Pferd. „Du kennst deine Pflicht, Hauptmann. Ich überlasse dir das Tor und meine Soldaten, falls du sie
    brauchst." Er lenkte sein Pferd zur Hauptstraße von Mantedi und Orlo folgte ihm.
    Nun bestand der Trupp nur noch aus Lord Morlens Gefolge und Orlo. Sie ritten durch breite, von prachtvollen Villen gesäumte Straßen. Zuerst dachte Orlo, in Mantedi würden nur Reiche wohnen, doch als sie weiter in die Stadt kamen, sah er in den Seitenstraßen schmutzige Kinder spielen, deren spitze Knochen aus zerlumpten Fetzen hervorstachen. Dann näherten sie sich dem Meer. Orlo staunte über die vielen Sklaven und Freigeborenen auf den Straßen. Viele der Freigeborenen sahen halb verhungert aus. Lord Morlen hatte Recht — es war besser, ein Sklave zu sein. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten sie das Ufer, von wo sich ein Netz von Landungsbrücken ins Wasser erstreckte. Auf den Piers wimmelte es von Männern, die Schiffe beluden oder Ladungen löschten und sich gegenseitig Befehle zuriefen. Als Lord Morlen auf einem der Piers vom Pferd stieg und seine Zügel einem Hafenarbeiter überließ, wurde es still unter den Männern. Auch Orlo stieg ab und folgte Lord Morlen, der mit dunkel wehendem Umhang den breiten Pier entlangschritt. Die Männer wichen vor ihm zurück. Lord Morlen klopfte an einem Holzhaus an. Ein kahlköpfiger Mann mit Stiernacken trat heraus. Er schüttelte Lord Morlen die Hand.
    „Guten Abend, Warren. Du hast doch meine Nachricht erhalten?"
    „Sicher, Herr. Die Docks werden gut bewacht. Alle Hafenmeister sind informiert. Bis jetzt gibt es keine Spur von den Ausreißern."
    Lord Morlen winkte Orlo nach vorn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dieser Mann wird bei dir bleiben. Er wird dir bei der Suche helfen - er kann das Ufer für dich absuchen. Und er kann sie identifizieren, wenn sie gefasst sind."
    Orlo blickte über das Meer, das von den Strahlen der untergehenden Sonne orange gesprenkelt war. Sein Herzschlag war stetig wie der Gang der Wellen.

 
13
    Sara sprach mit keinem ihrer Mitschüler, als sie zum Schlafhaus ging. Auch Ellowen Renaiya begegnete ihr nicht, und sie war froh darüber, denn sie verachtete die Ellowen, die sich von Bern hatte verführen lassen, obwohl sie selbst Dorjan vor den Charmalen gewarnt hatte.
    Seit dem Morgen schien eine Ewigkeit vergangen zu sein. Sara blickte voller Abscheu auf die Person zurück, die sie gewesen war. Eine Person, die sich mit Bern verabredet und ihn durch die heiligen Kreise geführt hatte. Sie war auf einen Betrüger hereingefallen, sie hatte sich von ihm küssen lassen und hatte ihn wieder geküsst Ihre Lippen waren für immer beschmutzt. Sie erinnerte sich genau daran, wie Bern hinter dem siebten Kreis auf sie gewirkt hatte. Warum, warum nur hatte sie nicht auf die Weisheit dieses Ortes gehört? Sie stieg in ihr Bett und dachte an den kostbaren Vogel mit den Perlmuttflügeln, dessen Käfig sie aufgebrochen hatte. Wie hatte sie

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