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Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
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vogelkrallenartigen Hände. Mit der einen Hand klammerte sie sich am Unterarm der jungen Frau fest, mit der anderen stützte sie sich auf einen Krückstock, wie ihn ältere Herren zum Wandern verwenden.
    »Bitte«, die junge Frau hielt ihm die Tür auf. »Bitte, Herr. Telefonieren.« Sie hielt das Gesicht abgewandt.
    Der Kommissar nahm ihr die Tür aus der Hand. »Danke.«
    Ein Blick aus ihren Augen. Die Haarsträhne wagte sich wieder hervor. Sie schaute hastig zur Seite. Das kugelrunde, zeltartige Wesen an ihrer Seite sprach erregt, mit greisenhaft hoher Fistelstimme auf sie ein, während sie sich langsam entfernten. Das Innere der Telefonzelle roch nach Schweiß und einem süßlichen Parfüm. Der Kommissar wischte den Hörer am Jackenärmel ab und öffnete die Tür einen Spalt breit. Er wählte Cenks Büronummer, die Privatnummer und die seines Handys. Keine Antwort. Cenk hatte Feierabend. Bloch hatte umsonst gewartet.

12. Kapitel
    Ich bin müde vom Laufen. Ich liege auf dem Boden. Unter mir eine dünne Matte.
    Topsannah hat mich mit einer selbst gewebten Decke zugedeckt. Sie hat gelächelt und mir für einen kurzen Moment ihre kühle, trockene Hand auf die Stirn gelegt. Ich weiß nicht, ob ich das wollte. Aber ich habe auch gelächelt und dann meine Augen schnell geschlossen. Als sie ging, hatte ich für einen Moment Angst, sie würde die Zimmertür abschließen. Das tat sie jedoch nicht. Ich könnte jederzeit gehen. Ich bin frei.
    Im Haus ist es still. Das Fenster steht offen und ein ständiger, leichter Luftzug weht über meinen Körper. Ich muss mich zusammenrollen wie ein Embryo, damit mir wärmer wird. An der Wand steht ein Bettgestell aus unbehandeltem Fichtenholz. Das Holz ist noch ganz hell, fast wie neu. Als ich es mir genauer angeschaut habe, bemerkte ich, dass das Bett früher einmal mit der anderen Seite nach vorne gestanden haben muss. Wahrscheinlich hatte es seinen Platz an der Wand, an die ich mich jetzt schmiege. Die andere Seite des Bettes war nämlich vom Sonnenlicht dunkelblond gefärbt. Dunkle Streifen zogen sich am Seitenbrett hinunter, so, als ob dort einmal etwas ausgelaufen wäre. Es sieht hässlich aus. Ich verstehe, dass sie das Bett umgedreht haben. Ich wollte auch nicht darin schlafen. Es liegt keine Matratze in diesem Bett, nur noch der Lattenrost. ›Vielleicht werden wir es einmal verbrennen‹, hat Adler gesagt. Indianer schlafen nicht in Betten.
    Die Wand, an die ich mich schmiege, ist kalt. Geheizt wird nur unten. Hier oben ist es kalt und der Wind weht herein. Es ist wie draußen schlafen. Früher liebte ich das. Zelten war ein wunderbares Abenteuer für mich. Ich war ein Mal mit meinem Vater zelten. Da war ich noch ziemlich klein. Ich glaube es war nur ein Wochenende und wir waren auch nicht besonders weit weg, sondern nur auf einem der vielen Campingplätze am Bodensee. Trotzdem hat es mir sehr gut gefallen. Ich habe ihn immer wieder angebettelt, es an einem seiner Wochenenden, die er mit mir verbrachte, noch mal zu wiederholen. Er hat auch nie nein gesagt. Es war nur so, dass irgendetwas immer dazwischen gekommen ist.
    Ich kann nicht einschlafen. Es ist nicht so, dass ich großen Hunger hätte, aber ich muss trotzdem ständig an Essen denken. In mir ist ein fader, giftiger Geschmack. Mein Körper scheidet jetzt das ganze Gift aus, das sich in all den Jahren mit falscher Ernährung in ihm angesammelt hat. Das muss ich aushalten. Aber ich mag diesen Geschmack nicht, den ich an mir wahrnehme, und ich habe Angst, dass ich stinke und dass Adler und Topsannah sich vor mir ekeln könnten. Wenn sie nichts mehr von mir wissen wollen, wo soll ich dann noch hingehen?
    Ich werde einen Schluck trinken. Ich werde die Treppe hinuntergehen und in der Küche einen Schluck Wasser trinken. Trinken darf ich. Das klare Wasser wird den schlechten Geschmack vertreiben. Ich werde nicht das vergiftete Wasser trinken, das aus der Leitung kommt, sondern das Wasser, das Topsannah in einem Kanister im Küchenschrank aufbewahrt. Es ist Wasser aus einer Quelle. Sie füllen es extra zum Trinken ab und schleppen es den ganzen weiten Weg bis zum Haus. Es ist sehr kostbar, dieses Wasser.
    Die Tür knarrt ein wenig. Ich bleibe stehen und lausche. Im Haus ist es still. Der Mond gibt genug Licht, sodass ich auf der Treppe nicht stolpern werde. Ich muss mich gut festhalten. Manchmal wird mir plötzlich schwindelig. Ich lege mir die selbst gewebte Decke um die Schultern und reibe einen meiner nackten Füße am

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