Die Vogelfrau - Roman
zwölftausendfach verdünnt worden sind. Es ist eine sehr gute Methode zum Nachweis von so genannten unsichtbaren Blutflecken. Wir haben damit schon Glück gehabt, selbst wenn die Sachen ausgewaschen worden sind.«
»Wir bekommen dann Ihren Bericht, Herr Meyer? Bis heute Mittag? Geht das in Ordnung?« Bloch wandte sich bereits zum Gehen.
»Ja, das sollte schon funktionieren, aber da ist noch etwas. Ich weiß nicht, ob wir das so schnell und so eindeutig hinbekommen.« Meyer wippte unruhig von den Fußspitzen auf die Fersen und wieder zurück.
»Und das wäre?«
»Die Auswertung der Blutspuren.«
»Sie meinen die DNS-Analyse, den genetischen Fingerabdruck? Ja, das ist mir schon klar, dass das länger dauert, Herr Meyer.« Wahrscheinlich dauerte es genauso lange wie eine 14 C-Bestimmung.
»Nein, das ist es nicht. Also, ich meine, wir werden natürlich den genetischen Fingerabdruck bestimmen, ich habe das bereits eingeleitet. Aber es steht doch wohl außer Frage, dass es sich hierbei um das Blut des Ermordeten handelt, das ist also reine Routine. Nein, ich bin mir nicht ganz schlüssig über die Interpretation des Spurenmusters. Sie erlauben?« Meyer löschte das Licht zum zweiten Mal. Mit einem Zeigestab fuhr er über die leuchtend blauen Flecken. »Sehen Sie hier und hier. Das sind ganz eindeutig Wischspuren. Die können entstehen, wenn sich jemand über eine Blutansammlung beugt und dabei die Flüssigkeit sozusagen unbeabsichtigt aufwischt.«
»Ja, genauso hat es uns die Frau Löble auch geschildert«, meinte Bloch. »Wo ist das Problem?«
»Hier.« Der Zeigestab wanderte zu mehreren winzigen azurblau leuchtenden Flecken. »Diese Pünktchen sind zwar kaum sichtbar, aber trotzdem äußerst suspekt.«
Kommissar Bloch und Cenk traten interessiert näher und beugten sich nach vorne. Tatsächlich, der Pullover war übersät mit diesen winzigen Antragungen. Sie befanden sich vor allem auf der rechten Seite.
»Was kann das bedeuten?«, fragte Bloch.
Meyer wiegte den Kopf. Er war ein begeisterter kriminalistischer Jäger, aber trotzdem Wissenschaftler genug, um sich vor einem voreiligen Urteil zu hüten. Die Verdächtigung, die er vorhin gegen die Löble ausgesprochen hatte, war ganz und gar untypisch für ihn gewesen und nur mit einem gewissen Überschwang zu erklären. Offensichtlich wollte er einen solchen Lapsus nicht ein zweites Mal begehen und verhielt sich nun dementsprechend vorsichtig.
»Spritzspuren«, meinte er zögernd.
»Ja – und? Meyer, nun machen Sie es doch nicht so spannend. Wir haben nicht ewig Zeit. Die Presse wartet auch noch.« Bloch sah mit theatralischer Geste auf seine Armbanduhr.
Meyer rang sich zu einer Stellungnahme durch. »Mit aller Vorsicht lässt es sich dahingehend interpretieren, dass die betreffende Person die Blutpartikel nicht nur durch eine Wischbewegung aufgenommen hat. Nein, es muss sozusagen ein aktives Element dazugekommen sein. – Das Blut muss gespritzt sein. Das feintropfige Verteilungsmuster ist da ganz eindeutig.«
»Das heißt also ...« Bloch hätte es gern von Meyer gehört. Cenk kam ihm aber zuvor. »Ja, Chef – das heißt also, dass die Löble mit ihrer Vorderseite zum Opfer stand und einen ganzen Schwall Blut abbekommen hat, als sie ...«
»Vorsicht, Cenk, Vorsicht! Sie wollten doch nicht etwa sagen: als sie Hoffmann den Schädel spaltete?«
»Doch, Chef. Ehrlich gesagt, genau das wollte ich gerade sagen!« Cenk wirkte nicht im Geringsten zerknirscht. »Spricht denn irgendwas dagegen?«
»Mein Bauchgefühl spricht dagegen!«, brummte Bloch. »Die Frau ist einfach zu ehrlich.«
»Wie bitte? Die begeht seit zwei Jahren systematischen Wissenschaftsbetrug! Chef – Sie kennen doch den schönen Spruch: Wer einmal lügt ...«
»... dem glaubt man nicht. Ja, Cenk, den Spruch kenne ich. Trotzdem, Betrug und Mord, das sind zwei Paar Stiefel. Aber wir kommen natürlich an dieser Sache nicht vorbei, das muss ich zugeben. Was Sie uns da gesagt haben, Herr Meyer, das ist natürlich im höchsten Maße suspekt. Ich bin froh, dass ich heute Nacht noch auf Nummer sicher gegangen bin, und Frau Löble mit aufs Revier genommen habe. Aber trotzdem ...« Bloch wiegte zweifelnd den Kopf. »Die Pressekonferenz liegt mir am meisten auf der Seele. Ich habe absolut keine Ahnung, was ich den Journalisten erzählen soll, Cenk. Absolut keine Ahnung.«
»Wie wärs mit der Wahrheit, Chef?«
»Cenk, hören Sie doch auf mit diesen billigen Witzen! – Also, Herr Meyer, ich erwarte
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