Die Vogelkoenigin
jemanden, der so ungeübt war wie sie, war es nicht schwierig, hier zu klettern. Natürlich half ihr die neue Kondition, die sie durch die Gewalttouren und Anstrengungen der letzten Wochen erhalten hatte.
Und ich bin glücklicherweise dünn genug, dachte sie. So kurz nach den Bahamas hätte ich wahrscheinlich nicht durchgepasst.
Es hatte nur wenige Momente gegeben, in denen sie sich seit dem Absturz hatte richtig satt essen können, aber es blieb nichts davon übrig, um anzusetzen. Denn sofort ging ihre Reise weiter, und sie verbrannte wieder alles, was ihr Körper freudig aufgenommen hatte. Sie merkte es auch daran, dass ihre Reisekleidung inzwischen zu weit geworden war; sie hatte den Gürtel bereits um zwei Löcher enger gemacht. Viel blieb da nicht mehr.
Und die Halbzeit war um. Also wenn die Zeit ganz um ist und die fünfzehn Wochen vergangen sind, werde ich wahrscheinlich gar nicht mehr da sein, dachte sie und bemerkte erst am Ende, wie makaber diese Selbstironie war. Dieses Schicksal drohte schließlich sowieso am Ende der Frist: Innistìr würde alle gestrandeten Menschen wie einen Fremdkörper abstoßen oder vielmehr absorbieren, auflösen, bis nichts mehr da war. Vielleicht nicht einmal mehr eine Seele.
Der einzige Trost war, wenn man den schwarzen Humor weitertreiben wollte, dass das Reich ebenfalls zur Auflösung verurteilt war, falls seine Schöpferin nicht rechtzeitig wiederkehrte.
Laura stemmte sich hoch und spürte dankbar die Sonne auf ihrem Gesicht und den Schultern. Unten hätte sie es vor Frösteln beinahe nicht mehr ausgehalten. Sie ahnte inzwischen, was mit ihr los war. Als sie aus den Abgründen ihrer Seele dank Nidis Hilfe zurückfand, hatte sie beim Durchqueren der Mauer einen heftigen Stoß verspürt. Sie hatte es als Abstoßungsreaktion empfunden, aber das war es nicht. Denn danach, das hatte Milt richtig erkannt, hatte ihr Rücken gejuckt, und ... und jetzt wiederum hatte Prinz Laycham korrekt festgestellt, dass sie etwas in sich trug. Sie konnte es inzwischen selbst spüren, und ihr Zustand verschlechterte sich rapide.
Er ist es, dachte sie. Es kann nicht anders sein. Er hat sich irgendwie in mir eingenistet, und jetzt will er mich, oder mein Körper versucht, ihn abzustoßen ... Vielleicht ist das gerade der Kampf, der in mir stattfindet - mein Körper gegen das Schattenlord-Virus ...
Es gab also keine Heilung von außen für sie - ihr Körper musste stärker sein als das schaurige Wesen, das sich ihr nach wie vor nicht erschloss. Abgesehen vielleicht von der Erkenntnis, dass es finster war, aber auf ganz andere Weise als Alberich oder Barend Fokke. Laura wusste nicht, ob der Begriff böse auf den Schattenlord zutraf.
Genug davon! Die Sonne tat gut, und sie fühlte sich gleich besser. Trotz der akuten Gefahr nicht weit über ihr.
»Bin gut hier oben angekommen!«, gab sie nach unten durch. »Ich glaube nicht, dass Fokke mich sehen kann, ich bin praktisch genau unter ihm und passe auf.« Eine kleine Deckung gab es durch überhängende Felsen, die Chancen darauf, nicht entdeckt zu werden, standen nicht schlecht.
»Ich komme auch zu dir!«, rief Nidi.
Laura wehrte ab: »Bleib bei den anderen und hilf ihnen, Nidi.«
»Ich glaub, die will gar niemanden bei sich haben«, hörte sie den Schrazel zu den anderen sagen.
Gut erkannt. Selbst Milts Nähe war jetzt in diesem Moment für sie nicht erträglich, und das bereitete ihr am meisten Sorgen. Was machte der Schattenlord aus ihr, dass sie sich selbst isolierte? Was wurde aus ihr, wenn ihr Körper schließlich seinen Angriffen unterlag? Was wollte er von ihr?
Etwa eine Armlänge über ihr flimmerte der Bannschirm der Elfen. Jedes Mal, wenn eine Kuónbombe auftraf, knisterte er, kleine Blitze verästelten sich über die Oberfläche, und der Farbverlauf änderte sich. Doch es entstand keine Lücke.
Überall Mauern, nichts als Mauern, dachte Laura und rieb sich die juckenden Arme. Rings um Innistìr, sodass wir Gefangene sind. Rings um die Felsen, um uns zu schützen. Und in mir, in meinem Kopf ... ist auch so ein gewaltiges Ding, von dem ich keine Ahnung habe, wie es da hingekommen ist und was sich dahinter verbirgt. Wer weiß, vielleicht ist das auch mit Königin Anne und ihrem Mann passiert - sie kommen durch ihre eigene Schutzmauer nicht mehr durch und warten darauf, dass jemand kommt und sie rettet.
Die Bombenabwürfe hörten auf, und der Fliegende Holländer drehte bei. Er musste wohl eine Kurskorrektur vornehmen, um seinem
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