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Die Vogelkoenigin

Titel: Die Vogelkoenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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beschäftigt, der Kapitän persönlich war oben an Deck, und niemand hatte Zeit, auf einen unbedeutenden Schiffsjungen zu achten.
    Er fand die Seele namens Andreas in der Nähe eines Aufgangs, gegen die Decke gepresst, wo sie klappernd und schlotternd gegen den Zwang ankämpfte, den anderen zu folgen.
    »Es tut mir leid«, murmelte Aswig. Er konnte sich nicht erinnern, zuvor Mitgefühl empfunden zu haben. Doch es tat ihm wirklich leid. Dieser Andreas litt Höllenqualen, vermutlich kaum weniger, als wenn Fokke ihn mit der Neunschwänzigen ausgepeitscht hätte. Aber vielleicht konnte er ihm helfen. Das war er ihm schuldig. Matrosenehre, die ging über alles.
    »W...w...was hat er mit uns vor?«, stammelte die Seele mit diesem fürchterlichen hallenden Hauch, der Aswig schier das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er hatte keine Erklärung dafür, warum er Seelen und diese ganz besonders wahrnehmen und sich mit ihnen unterhalten konnte. Irgendetwas lief gründlich schief in seinem Leben, angefangen ab dem Zeitpunkt, da er auf dieses verfluchte Schiff gezwungen worden war. Immerhin war der Kapitän zufrieden mit ihm, sodass er sich nicht körperlich veränderte und auch nicht als Sklave weiterverkauft wurde. Doch wenn Barend Fokke dahinterkam, was Aswig hier unten trieb, war die Neunschwänzige wahrscheinlich sein geringstes Problem.
    Aber er hatte eine Schuld zu begleichen und keine zu geringe. Und irgendwie ... ging es so nicht weiter. Es wurde Zeit, dass Aswig erwachsen wurde. Irgendwo da draußen gab es Freunde, selbst für ihn. Und eine Sonne, die wärmte.
    Er zog eine kleine silberne Schnur aus der Tasche, die aus Fokkes Kabine stammte. Der Kapitän bewahrte eine Menge magische Gegenstände auf, die für alle möglichen Zwecke dienten. Diese Schnur, so zart und unscheinbar, war stark wie eine Gliederkette, und außerdem schützte sie vor Zaubern.
    Obwohl Aswig nicht minder schlotterte wie die Seele, und zwar aus Angst, näherte er sich Andreas und hielt den Arm mit der Schnur hoch. »Nimm sie und binde dich damit fest«, flüsterte er. »Er wird es nicht merken, dass du nicht dabei bist, denn er verwendet nie alle Seelen. Wahrscheinlich tue ich ihm einen Gefallen damit, weil er dich noch trinken will.«
    »Aber was ...«, setzte Andreas an.
    »Er schickt euch gegen Laura in den Kampf und gegen die anderen, die er verfolgt hat. Er hat sie unten in den Felsen gestellt. Sieht nicht gut aus, Kumpel.«
    Eine wabernde, bleiche, durchsichtige Geisterhand griff nach der Schnur und konnte sie tatsächlich fassen - und die Wirkung trat augenblicklich ein. Das klappernde Schlottern hörte auf, und Andreas presste die Schnur an seine durchsichtige Brust.
    »Hab Dank«, flüsterte er.
    »Versteck dich«, riet Aswig. »Und wehe, jemand kriegt was mit der Schnur mit, dann sind wir beide auf Grund gelaufen, und zwar gründlich.«
    »Ich versprech’s, Aswig«, beteuerte die gefangene Seele. »Du ... du bist der beste Freund, den ich je hatte. Als Lebender, meine ich.«
    »Quatsch keine schwanzlose Makrele herbei«, murmelte Aswig. »Bei der nächsten Gelegenheit werd ich dich wieder verraten, um meine magere Haut zu retten.«
    »Ich hab Laura auch verraten«, erwiderte Andreas. »Wir sind also quitt.«
    Der Schiffsjunge kratzte sich hinter dem Ohr, zog eine verwirrte Miene und sah dann zu, dass er zurück an Deck kam. Dort begann gerade der Angriff.

    Der unheilvolle Kapitän stand ganz vorn; er gab keinen Laut von sich, doch dass er Befehle gab, war deutlich zu erkennen. Die Seelen verwoben sich zu einem dichten, mit der Spitze nach vorn gerichteten Dreieck und bildeten damit eine neue Galionsfigur - einen Rammkeil.
    Er kann doch nicht ..., dachte Laura entsetzt. Die Wanten knirschten, während sich die Segel vollständig aufblähten, und das Schiff beschleunigte nochmals auf direkten Kurs - und senkte dann den Bug Richtung Felsen.
    Die Elfen und die Menschen unten schrien durcheinander. Laura sah, wie der Schutzbann bei ihren Bemühungen aufflackerte, ihn zu verstärken. Sie glaubte, ein Lächeln auf dem Gesicht Barend Fokkes zu erkennen, so nah schien er zu sein. Greifbar nahe. Sie hörte das Rauschen der Segel und musste sich festhalten, um nicht von dem vorweggeschobenen Wind umgerissen zu werden.
    Laura öffnete den Mund, aber kein Laut drang aus ihrer trockenen Kehle; selbst wenn sie wollte, jetzt war es zu spät, sich zurückzuziehen. Vielmehr sollte sie zusehen, sich vollständig auf die Felsen zu ziehen, bevor sie

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