Die Vogelkoenigin
Glück.
Ein Blitz, ein Knall. Die Wucht der Entladung schleuderte Finn zurück, dass er rücklings zu Boden fiel. In seiner Benommenheit bekam er mit, wie Leonidas’ Körper erneut durch die Luft flog, aber nun keineswegs elegant oder kraftvoll, sondern rückwärts und mit den Gliedmaßen rudernd. In einer gewaltigen Sandfontäne schlug er dröhnend auf dem Boden auf und verschwand kurzzeitig in einer Staubwolke. Sein wütendes Gebrüll schallte durch das Felsenlabyrinth und brachte die Pferde in Aufruhr, die schrill und angstvoll wieherten.
Blitzschnell war der mächtige Löwenmann wieder auf den Beinen und griff nach seinem Schwert, das er bei dem Abwehrzauber verloren hatte.
Finns vorlautes Mundwerk war wieder einmal schneller als sein Verstand, schneller als der Schock und die Erkenntnis, wie haarscharf es gerade gewesen war. »Hast du wirklich gedacht, das geht so leicht?«, rief er, Staub spuckend.
Leonidas stand hoch aufgerichtet wenige Meter von ihm entfernt und richtete die Schwertspitze auf ihn. »Du wirst dir noch wünschen, dich freiwillig ergeben zu haben!«, donnerte er. Dann wandte er sich den Felsen zu.
»Prinz Laycham, ich weiß, dass du da drin bist! Ich habe keine Ahnung, was dich dazu treibt, ausgerechnet für Reinblütige Partei zu ergreifen, aber sei dessen gewiss: Das ist das Todesurteil für dich und alle deine Begleiter! Mal ganz abgesehen davon, dass du Alberich eine Menge Tribut schuldest - doch das sei an dieser Stelle verziehen, vorausgesetzt, und das rate ich dir dringend, du lieferst Laura und ihren Freund und diesen hier aus! Andernfalls werdet ihr alle unehrenhaft und für nichts als ein paar Reinblütige einen grausamen Tod erleiden!«
Er wartete keine Antwort ab, drehte sich um und ging auf sein wartendes Pferd zu.
Finns Mund bewegte sich, aber ausnahmsweise einmal versagten seine Stimmbänder und bewahrten ihn vor einer weiteren Provokation. Obwohl es kaum schlimmer kommen konnte.
Er rappelte sich hoch und klopfte sich, immer noch ein wenig wacklig, Sand und Staub ab, dann kehrte er in die Felsen zurück, froh darüber, dass Laychams und Zoes Gesichter hinter den Masken verborgen waren.
Lief prächtig, dachte er. Er ist wütend, und wer wütend ist, macht Fehler.
6
Verbündete
oder ...?
Ä h, danke«, sagte Finn und wartete auf das Donnerwetter.
»Wir haben ihn völlig überrascht«, sagte der Prinz jedoch. »Das gefällt mir.«
Der Nordire blinzelte. »Ähm ...«
»Ja, ihr habt es ihm gegeben, alle beide - und wie!«, sagte Nidi; es klang ganz und gar nicht lobend. »Was sollte das da draußen? Habt ihr beide den Verstand verloren? Leonidas war noch nicht wütend genug, also machen wir ihn jetzt richtig sauer?«
»Ich glaube, ich wäre ohne Laychams Hilfe tot gewesen«, wandte Finn ein.
»Ein Verlust wäre es nicht gewesen!«, fuhr der Schrazel ihn an. »Wieso bist du nach deiner Forderung nicht einfach wieder reingegangen und hast ihn stehen lassen? Aber nein, er weiß jetzt von uns und den Iolair und dass die nicht hier sind, aber dafür der Prinz, von dem er sowieso Steuern eintreiben will - sag mal, hast du sie noch alle?«
Finn zog den Kopf etwas ein. »Das mit Laycham hat er ganz allein rausgekriegt.«
»Ja, weil du ihm Gelegenheit zum Nachdenken gegeben hast!« Nidi raufte sich das löwenmähnige Kopffell. »Habt ihr etwa nicht kapiert , wie gefährlich der Kerl ist? Und erst recht durch seine Abneigung gegen Alberich - der treibt sein eigenes Spiel, sage ich euch! Er führt die Befehle aus, aber nach seiner Lesart, und die ist in jedem Fall schlecht für alle, die er sich vorknöpft!«
»Jetzt mal ernsthaft.« Finn sah Laycham an. »Haben sich unsere Chancen verschlechtert?«
»Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, Finn«, gestand der Prinz. »Ich habe so gut wie keine Ahnung von dieser Welt. Aber Nidi klingt recht plausibel.«
»Deine Seelenruhe möchte ich haben«, murmelte Zoe. »Ach, ich vergaß - du hast ja gar keine Seele.«
»Das ist eine gute Überleitung«, mischte Birüc sich ein. »Der Seelenfänger macht sich bereit zum nächsten Angriff.«
Ein Soldat kam angelaufen, hörte die letzten Worte und ergänzte: »Leonidas da draußen auch.«
»Es ist schlimmer!«, zeterte Nidi. »Fokke wird uns Leonidas direkt in die Arme treiben!«
»Nun beruhige dich, Nidi«, sagte Finn und stupste den kleinen Schrazel, der auf Zoes Schulter saß, mit dem Zeigefinger an. »Du wirst kein Gefangener Fokkes mehr, das verspreche ich.«
»Ja? Und wie willst
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