Die Vogelkoenigin
etwa auch einer?«
»Da musst du Glatzkopf und Bohnenstange fragen - aber schon möglich. Habt ihr gesehen, was der Kerl anhat? Läuft rum wie Johnny Depp in Fluch der Karibik.«
»Weit entfernt!«, wies Zoe ihn zurecht. »Der hier sieht zehnmal besser aus, und außerdem hat er mehr Stil und Geschmack, was Kleidung betrifft. Man könnte es annähernd ähnlich nennen, aber mehr auch nicht.«
»Jedenfalls«, fuhr Milt fort, denn jetzt befand er sich in seinem Element und war in Fahrt gekommen, »haben die Schebecken einen schlanken Rumpf, mit weit hinausragendem Bug und Heck. Das macht sie schnittig, lässt sie fast übers Wasser dahingleiten - und damit sind sie sehr schnell und wendig.«
»Dieses Schiff gleitet allerdings über dem Wasser dahin«, sagte Finn. »Bin ich jetzt bei Ali Baba oder in sonst einem Märchen gelandet?«
Prinz Laycham stimmte ihm zu: »Ich muss sagen, selbst für Innistìr, wo alles möglich sein soll, ist das ziemlich schräg.«
»Den Ausdruck hast du von mir, stimmt’s?« Zoe stieß ihn leicht an.
Das Schiff besaß einen Adler als Galionsfigur, drei Masten mit orangefarbenen Segeln, Bugspriet und Klüverbaum. Der Rumpf war aus sehr dunklem rotbraunem Holz gezimmert und glänzend lackiert, das Heck war wie bei einem Linienschiff ausgebaut. Cyria Rani prangte in geschwungenen Schriftzeichen am Heck, gut erkennbar, als es erneut beidrehte. Oben auf dem Großmast flatterte eine türkisfarbene Flagge mit einem schwarzen Korsarenhut, um den sieben Winde wehten. Eben jene Winde, die sie gerade erlebt hatten!
Die Cyria Rani senkte sich nun, ohne abzudriften, mit unvergleichlicher Anmut ab, bis sie nur noch anderthalb bis zwei Mannslängen über dem Boden schwebte, und warf dann Anker. Ganz sicher war dieses Schiff keinem Fluch unterworfen.
Ein Fallreep wurde heruntergelassen, und der Kapitän persönlich kletterte als Erster von Bord.
Er war so groß wie der Prinz und hatte ein gebräuntes, feingliedriges, selbst für einen Elfen außergewöhnlich schönes Gesicht mit Spitzbart. Einen Anteil daran trugen seine strahlenden türkisfarbenen Augen, und zur Abrundung hatte er schwarze brustlange Locken, die mithilfe eines um den Kopf gebundenen, rot-schwarz gestreiften Tuches aus der Stirn gehalten wurden. Eine Kordel mit Münzen und bunten Perlen baumelte seitlich herab. Obendrauf hatte er einen Korsarenhut gesetzt. Seine bunte Kleidung war perfekt geschnitten, lässig und doch auch für den Kampf geeignet. Die langen Beine steckten in kniehohen Stiefeln, und er trug einen breiten Gürtel mit einem beachtlichen Waffenarsenal. Sein Gang war geschmeidig wie der einer Katze, und sein Lächeln entblößte perfekte schneeweiße Zähne.
»Uff«, stöhnte Zoe auf. »Ist der reich?«
»Ohne jeden Zweifel«, antwortete Laycham.
Oh du unschuldsvoller Engel, dachte Finn. Dann sah er, wie Zoes Hände zu ihrer Maske hochzuckten und sich dann zu Fäusten ballten. Ihr Leid machte ihn traurig. Sie hatte das nicht verdient. Auch der Prinz hatte das nicht verdient. Wenn er nur wüsste, wie ihnen geholfen werden könnte! Aber er konnte ja nicht einmal sich selbst helfen.
Glatzkopf und Bohnenstange begrüßten den Korsaren stürmisch, wobei er sie offenbar nicht erkannte. Sie stellten sich ihm vor, und sein Gesicht hellte sich auf. Er schüttelte ihnen die Hände. Lachend klopften sie ihm auf die Schulter und führten ihn dann zu den völlig verdatterten Menschen und Elfen aus Dar Anuin.
»Das ist Arun, der Korsar der Sieben Stürme«, stellten sie den Kapitän vor. »Er hat sich in der Schlacht von Ristamar, im Kampf um das Reich der Crain, sehr verdient gemacht.«
»Nicht nur ich.« Der Korsar deutete auf drei Männer, die oben an der Reling lehnten. »Meine Verbündeten und Freunde haben viel mehr geleistet. Doch das ist lange vorbei und vergessen! Nun sind wir hier, weil abermals jemand in Not geraten ist.«
Er ergriff Zoes Hand und beugte sich lächelnd darüber, hauchte einen Kuss darauf. »Wenn wir gewusst hätten, welch bezaubernden Wesen wir begegnen, wären wir selbstverständlich sehr viel schneller gekommen.«
Zoe regte sich nicht, konterte nicht einmal mit einem ihrer gefürchteten Sprüche.
Arun betrachtete ihre Maske und das Mal. »Da scheint mir eine lange Geschichte dahinterzustecken, die ich gewiss gern erfahren möchte. Doch an erster Stelle interessiert mich dein Name, holdes Menschengeschöpf.«
»Ich bin Zoe«, sagte sie.
Er hob eine Braue; eine Frau derart kurz angebunden zu
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