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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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am ganzen Körper, seine Beine knickten ein, aber die Männer griffen ihm unter die Arme und zerrten ihn wieder hoch. Er sah alles nur noch wie durch einen Schleier. Ihm war speiübel.
    Kowalski riss mit einem Ruck den Klebestreifen von Tiburskys Mund. Dann zündete er sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Er blies den Rauch in die Luft und hielt Tibursky den Filter vor den Mund. »Will der Delinquent einen letzten Zug?«
    Tibursky würgte und erbrach sich auf Kowalskis Bundeswehrparka. Der sprang fluchend zur Seite und sagte eiskalt: »Werft das Arschloch runter!«
    Vier Männer packten Tibursky an Armen und Beinen. In einem letzten Aufbäumen strampelte er wild mit den Füßen, erwischte dabei einen der Männer im Gesicht und hörte das Nasenbein brechen. Blut spritzte, aber vor der Verdammnis rettete es ihn nicht.
    Die Männer hoben ihn mit dem Kopf voran über die Brüstung.
    Fünfunddreißig Meter unter ihm sah er das schmutzige braune Laub auf dem Boden des Scheelbacher Forsts. Ein Knall erschütterte den Wald. Flammen schossen hinter den Bäumen empor.
    Tibursky konnte nur noch daran denken, dass das Laub lautlos von den Bäumen fiel und dass es braun war und welk. Totes Laub. Er würde es nie mehr grünen sehen wie die Blätter im Amazonas, die niemals braun wurden.
    Dann ließen sie ihn fallen.
    Der Gurt war mit fünfzehn Metern viel zu lang bemessen, und die Kräfte, die auf Tiburskys Körper einwirkten, rissen den dritten Halswirbel aus seiner Verankerung. Tiburskys Kopf wurde vom Rumpf abgetrennt und landete zehn Meter neben dem Körper, mitten auf dem Zufahrtsweg zur Schreckenmühle.
    Der Torso lag mit ausgebreiteten Armen am Fuße des Turms. Daneben ein Pappschild mit der Aufschrift: Todesstrafe für Kinderschänder .
    *
    Die Rettungskräfte erreichten den Aussichtsturm, fünfzehn Minuten nachdem Kowalskis braune Horde Wolf Tibursky von der Plattform gestoßen hatte. Der Leichnam wurde ebenso wie der von Tobin Kiefer und seiner Frau Anna durch den Gerichtsmediziner Dr. Chiazza notdürftig untersucht und für eine detaillierte Autopsie in Frankfurt verpackt und verladen. Die Kolonne aus drei Leichenwagen, mit Tibursky an der Spitze, setzte sich erst bei Beginn der Dämmerung in Bewegung. Zu diesem Zeitpunkt war bereits der gesamte Scheelbacher Forst von der Polizei abgesperrt worden. In der Scheelbacher Gemeindehalle richteten die Aschaffenburger Polizeidirektion und das LKA Wiesbaden eine provisorische Einsatzzentrale ein.
    Heinz Rosen hatte man, nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit verrichtet hatte, zur Vernehmung ins Frankfurter Polizeipräsidium gebracht.
    Von Adam Lefeber fehlte bislang jede Spur. Seine elektronische Fußfessel hatte kurz nach Antritt seiner Flucht den Geist aufgegeben. Eine Fahndung nach Noras Wagen war eingeleitet.
    Schöne und Martinez, die beiden Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos, wurden ins Hanauer Klinikum gebracht; Martinez richtete sich auf einen längeren Aufenthalt ein, wie Cornelius Nora berichtete. Seine Dienstwaffe wurde nach der Bergung des zerstörten Polizeifahrzeugs hinter einem der Vorderreifen gefunden.
    Die Befragung der Scheelbacher Bürgerwehr, die, wie aus einem bösen Traum erwachend, eine schuldbewusste Miene zur Schau trug, als sie in die bereitstehenden Busse verladen wurde, brachte ans Tageslicht, warum sie die Schreckenmühle gestürmt hatte. Von den Kollegen in Rieneck erhielten sie die Information, dass Timm Wawerzinek dort nie als vermisst gemeldet worden war. Der diensthabende Beamte räumte jedoch ein, dass es beim Erstellen des Einsatzprotokolls wegen des Unwetters und der personell angespannten Situation zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Eine Auswertung der Telefonmitschnitte würde zu gegebenem Zeitpunkt Klarheit bringen. Nach Timm wurde ebenfalls eine Fahndung eingeleitet. Eine Hundertschaft der Frankfurter Polizei sowie eine Hundestaffel waren auf dem Weg nach Scheelbach, um trotz einsetzender Dunkelheit die Umgebung abzusuchen.
    Die Feuerwehr kam indes zu spät. Der Brand hatte das Hauptgebäude der Schreckenmühle völlig zerstört. Zum Glück war Martinez von seinem Kollegen Schöne noch aus dem Haus gerettet worden.
    Henk Wawerzinek und seine Kameraden waren wie vom Erdboden verschluckt. Kowalski hingegen schien nie existiert zu haben; niemand aus dem Ort kannte seinen Namen oder die seiner Helfer, genauso wenig sah sich jemand in der Lage, sein Aussehen schlüssig zu beschreiben. Später würde man

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