Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
beginnen!«
    William bückte sich und zog etwas aus den Überbleibseln des Iko-
    nographen. Der Kobold war entkommen, doch das von ihm gemalte
    Bild war zu erkennen. Vielleicht zeigte es…
    Es war keine besonders gute Aufnahme des Mannes namens Bruder
    Nadel: Das Gesicht war nur ein weißer Fleck im grellen Licht, das Men-
    schen nicht sehen konnten. Doch die Schatten hinter ihm…
    William sah genauer hin.
    »Bei den Göttern…«
    Die Schatten hinter Bruder Nadel lebten.

    Bruder Nadel und Schwester Tulpe glitten und rutschten durch den
    Schneeregen. Pfiffe erklangen in der Düsternis hinter ihnen.
    »Komm!«, rief Nadel.
    »Diese …ten Säcke sind schwer !«
    Jetzt kamen auch Pfiffe von der einen Seite. An so etwas war Herr
    Nadel nicht gewöhnt. Wächter sol ten weder eifrig noch organisiert
    sein. Er wurde nicht zum ersten Mal verfolgt – manchmal funktionier-
    ten die Pläne nicht richtig. Wenn das passierte, bestand die Aufgabe der
    Wächter darin, an der zweiten Ecke außer Atem zu geraten und auf-
    zugeben. Zorn quol in ihm empor. Diese Wächter machten es falsch.
    Er bemerkte einen offenen Bereich neben sich, vol er feuchter, da-
    hinwirbelnder Flocken. Von weiter unten kam eine Art phlegmatisches
    Saugen; es klang nach einer sehr schlechten Verdauung.
    »Dies ist eine Brücke!«, rief Herr Nadel. »Wirf sie in den Fluss!«
    »Ich dachte, wir wol ten den Hund finden und…«
    »Es spielt keine Rolle mehr! Wir werden sie alle los! Jetzt sofort! Damit wäre das Problem gelöst!«
    Schwester Tulpe brummte eine Antwort und stoppte am Geländer.
    Die beiden heulenden und jaulenden Säcke verschwanden in der Tiefe.
    »Klang das etwa wie ein …tes Platschen?«, fragte Schwester Tulpe
    und starrte durch den Schneeregen.
    »Wen kümmert’s? Lauf jetzt!«
    Herrn Nadel schauderte es, als er weiterlief. Er wusste nicht, was im
    Schuppen geschehen war, aber er hatte das Gefühl, über sein eigenes
    Grab gewandert zu sein.
    Er glaubte sich nicht nur von Wächtern verfolgt und beschleunigte.

    In widerstrebender, aber wundervol er Harmonie – niemand konnte
    besser singen als eine Gruppe von Zwergen, selbst wenn das Lied »Darf
    ich reines Wasser saugen?«* hieß – bemühten sich Gutenhügel und die
    anderen, Otto zu beruhigen.
    Inzwischen war die grässliche Notfall-Blutwurst geholt worden. Für
    einen Vampir war sie wie eine Zigarette aus Pappe für einen hoffnungs-
    los Nikotinsüchtigen, aber wenigstens war sie etwas, in das Otto hin-
    einbeißen konnte. Als William schließlich den Blick vom Grauen der
    Schatten abwandte, wischte Sacharissa Otto die Stirn ab.
    »Oh, errneut schäme ich mich so sehrr, wo kann ich mich verrste-
    cken…«
    William hob das Bild. »Was hat dies zu bedeuten, Otto?«
    In den Schatten zeigten sich schreiende Münder und weit aufgerissene
    Augen. Sie bewegten sich nicht, während man sie beobachtete, aber
    wenn man erneut auf das Bild sah, schien es, als befänden sich die
    Münder und Augen nicht an der gleichen Stelle wie zuvor.
    Otto zitterte. »Oh, ich habe al e Landaale, eingesetzt«, sagte er.
    »Und?«

    * Unter anderen Umständen wäre dies ebenso wahrscheinlich gewesen wie
    Kühe, die ›Ich möchte mit köstlicher Bratensoße bedeckt werden‹ singen.
    »Das sieht schrecklich aus«, hauchte Sacharissa und wandte sich von den gequälten Schatten ab.
    »Ich fühle mich so errbärrmlich«, sagte Otto. »Offenbarr warren sie
    zu starrk…«
    »Heraus damit, Otto!«
    »Nun… derr Ikonogrraph lügt nicht, das weißt du doch?«
    »Natürlich.«
    »Nun… bei starrkem dunklen Licht lügt das Bild wirrklich nicht.
    Dunkles Licht zeigt den dunklen Augen des Geistes die Wahrrheit…«
    Er zögerte und seufzte. »Oh, und wiederr kein unheilvolles Don-
    nerrgrrrollen, wie schade. Aber ihrr könntet wenigstens besorrgt in die
    Schatten sehen.«
    Die Blicke aller Anwesenden wandten sich den Schatten zu, in den
    Ecken des Schuppens und unterm Dach. Dort gab es nichts Gespensti-
    scheres als Staub und Spinnen.
    »Aber da gibt es doch nur Staub und…«, begann Sacharissa.
    Otto hob die Hand. »Liebe Dame… Ich habe gerrade darrauf hinge-
    wiesen. Philosophisch betrrachtet kann die Wahrrheit das sein, was
    metaphorrisch existierrt…«
    William betrachtete das Bild erneut.
    »Ich hoffte, mit Filterrn die unerrwünschten Nebenwirrkungen elimi-
    nierren zu können«, sagte Otto hinter ihm. »Aberr bisherr ist es mirr
    nicht gelungen…«
    »Dies wird immer schlimmer«, ließ sich Sacharissa

Weitere Kostenlose Bücher