Die volle Wahrheit
nicht für angebracht, dass ihr in einem solchen Ton-
fal über…«, begann Schnapper und unterbrach sich, als Sacharissas
Blick ihn durchbohrte.
»Ja, aber das grässliche Zeug hat eine sonderbare Art von Attraktivi-
tät«, sagte Wil iam. »Man isst es immer wieder, obwohl man es eigent-
lich gar nicht will. Was geht hier vor?«
»Eigentlich war es gar nicht meine Absicht «, protestierte Schnapper.
» Was war nicht deine Absicht?«, fragte William.
»Herr Schnapper hat die Geschichten für den Kurier geschrieben«, sagte Sacharissa.
»Ich meine, die Leute glauben doch nicht, was sie in der Zeitung lesen«, meinte Schnapper.
William zog sich einen Stuhl heran, nahm falsch herum darauf Platz
und stützte die Arme auf die Rückenlehne.
»Nun, Herr Schnapper… Wann hast du damit begonnen, in den
Brunnen der Wahrheit zu pissen?«
»William!«, sagte Sacharissa scharf.
»Nun, meine Geschäfte gingen nicht besonders gut«, sagte Schnapper.
»Und die Sache mit den Nachrichten… Die Leute hören gern Dinge
von weit entfernten Orten, du weißt schon, wie im Alamanach… «
»›Herscheba von Riesenwieseln heimgesucht‹?«, fragte William.
»Etwas in der Art. Ich dachte… es spielt keine Rolle, ob die Ge-
schichten stimmen oder nicht. Ich meine…« Williams glasiges Lächeln
weckte Unbehagen in Schnapper. »Ich meine… sie sind fast wahr. Jeder weiß, dass solche Dinge passieren…«
»Du bist nicht zu mir gekommen«, stellte William fest.
» Natürlich nicht. Es ist allgemein bekannt, dass du in dieser Hinsicht ein wenig… phantasielos bist.«
»Du meinst, ich möchte lieber von den Dingen erfahren, die wirklich
passiert sind?«
»Ja, genau. Herr Schmeichler sagte, die Leute würden den Unterschied
ohnehin nicht bemerken. Er mag dich nicht sehr, Herr de Worde.«
»Er hat umhertastende Hände «, sagte Sacharissa. »Einem solchen Mann kann man nicht trauen.«
William griff nach der letzten Ausgabe des Kuriers.
»›Mann von Dämonen entführt‹«, las er. »Das bezieht sich auf einen
gewissen Ronnie ›Vertrau mir‹ Reißaus, der dem Trol Chrysopras mehr
als zweitausend Dollar schuldet und zum letzten Mal gesehen wurde, als
er ein sehr schnelles Pferd kaufte.«
»Und?«
»Wo kommen hier Dämonen ins Spiel?«
»Nun, es wäre doch möglich, dass er von Dämonen entführt wurde«,
sagte Schnapper. »So was kann jedem passieren.«
»Du behauptest also, es gäbe keine Beweise dafür, dass er nicht von Dämonen entführt wurde?«
»So können die Leute selbst entscheiden«, erwiderte Schnapper. »Dar-
auf weist Herr Schmeichler immer wieder hin. Er meint, die Leute sol -
ten selbst entscheiden können.«
»Darüber, was wahr ist?«
»Außerdem putzt er sich nicht richtig die Zähne«, warf Sacharissa ein.
»Ich gehöre keineswegs zu den Leuten, für die Sauberkeit gleich nach
Frömmigkeit kommt, aber es gibt Grenzen.«*
Schnapper schüttelte traurig den Kopf. »Ich bin nicht mehr ich selbst.
Für jemand anderen zu arbeiten… Ich muss verrückt geworden sein.
Vermutlich liegt’s am kalten Wetter. Ich bekomme… Lohn .« Er schau-
derte bei diesem Wort. »Und ich hielt das sogar für eine gute Idee…«
Mit entsetzter Stimme fügte er hinzu: »Wisst ihr, dass er mir ›Anwei-
sungen‹ erteilt hat? Wenn sich das nächste Mal solche Gefühle in mir
regen, lege ich mich hin und warte, bis sie verschwunden sind.«
»Du bist ein unmoralischer Opportunist, Herr Schnapper«, sagte Wil-
liam.
»Bisher bin ich gut damit zurechtgekommen.«
»Kannst du uns Anzeigen besorgen?«, fragte Sacharissa.
»Ich bin nicht mehr bereit, für jemanden zu ar…«
* Eigentlich kam Sauberkeit nie gleich nach Frömmigkeit, höchstens vielleicht in stark gekürzten Wörterbüchern. – Ein schmutziges Lendentuch,
hoffnungslos verfilztes Haar gelten weithin als Markenzeichen von Propheten, deren Neigung, al es Weltliche abzulehnen, bei Seife beginnt.
»Auf Provisionsbasis«, sagte Sacharissa rasch.
»Was?«, brachte William hervor. »Du willst ihn einstellen ?«
»Warum nicht?«, entgegnete Sacharissa. »In der Werbung kann man
nach Herzenslust lügen. Es ist erlaubt. Wir brauchen das Geld.«
»Auf Provisionsbasis?«, erwiderte Schnapper und rieb sich das unra-
sierte Kinn. »Zum Beispiel… fünfzig Prozent für euch beide und fünf-
zig für mich?«
»Das sollten wir besprechen «, sagte Gutenhügel und klopfte ihm auf die Schulter. Schnapper zuckte zusammen. Bei Verhandlungen
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