Die volle Wahrheit
wir sicher nicht damit zurecht.«
»Stimmt.«
»Und es gibt noch eine Zeitschrift, die sich gut verkaufen würde«,
meinte Sacharissa. Hinter ihr fiel ein Teil der Presse zu Boden.
»Hallo? Hallo? Ich weiß, dass sich mein Mund öffnet und schließt«, sagte Gutenhügel. »Kommen irgendwelche Geräusche heraus?«
»Über Katzen«, fuhr Sacharissa fort. »Viele Leute mögen Katzen. Bil-
der von Katzen. Geschichten über Katzen. Ich habe darüber nachge-
dacht. Der Titel könnte Al es über Katzen lauten.«
»Und wie willst du die anderen Zeitschriften nennen? Al es über Frau-
en? Al es über Männer? Al es übers Stricken? Al es über Kuchen?«
»Ich dachte dabei an Der Hausfrauen-Freund «, sagte Sacharissa. »Aber ich muss sagen, dass deine Titel recht gut klingen. Da fällt mir ein…
Denk nur an die vielen Zwerge in der Stadt. Wir könnten auch für sie
eine Zeitschrift herausbringen. Ich meine… was trägt der moderne
Zwerg in dieser Saison?«
»Kettenhemd und Leder«, sagte Gutenhügel verwirrt. »Wovon redest
du da? Wir tragen immer Kettenhemd und Leder!«
Sacharissa hörte nicht auf ihn. Sie und William weilten in einer eige-
nen Welt, begriff Gutenhügel. In einer Welt, die mit der Realität nichts
mehr zu tun hatte.
»Es scheint mir ein wenig wie Verschwendung«, sagte William. »Eine
Verschwendung von Worten, meine ich.«
»Warum? An Worten herrscht nie Mangel.« Sacharissa klopfte ihm
behutsam auf die Wange. »Glaubst du etwa, Worte zu schreiben, die
ewig währen? So funktioniert das nicht. Was die Zeitung betrifft… Sie
enthält Worte für einen Tag. Vielleicht auch für eine Woche.«
»Und dann wirft man sie weg«, sagte William.
»Möglicherweise haben einige länger Bestand. In den Köpfen der
Leute.«
»Aber das ist nicht der Ort, wo das Papier endet«, meinte William.
»Ganz im Gegenteil.«
»Was hast du erwartet? Dies sind keine Bücher, sondern Worte, die…
kommen und gehen. Kopf hoch.«
»Es gibt da ein Problem«, sagte William.
»Ja?«
»Wir haben nicht genug Geld für eine neue Presse. Unser Schuppen
ist niedergebrannt. Wir sind ruiniert. Verstehst du?«
Sacharissa blickte zu Boden. »Ja«, erwiderte sie leise. »Ich hatte ge-
hofft, dass du nicht zu dieser Erkenntnis kommst.«
»Und wir hätten es fast geschafft. Fast .« William holte sein Notizbuch hervor. »Ein echter Knül er. Ich habe nahezu alles herausgefunden.
Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als diesen Kram Mumm zu ge-
ben…«
»Wo ist das Blei?«
William blickte über die Trümmer hinweg. Boddony kniete vor der
dampfenden Presse und versuchte, unter sie zu blicken.
»Das Blei ist verschwunden !«, brachte er hervor.
»Es muss irgendwo sein«, erwiderte Gutenhügel. »Ich habe noch nie erlebt, dass zwanzig Tonnen Blei einfach aufstehen und weggehen.«
»Vermutlich ist es geschmolzen«, sagte Boddony. »Hier liegen einige
Tropfen auf dem Boden…«
»Der Kel er«, sagte Gutenhügel und griff nach einem halb verbrann-
ten Balken.
»Ich helfe dir.« Wil iam kam um den angesengten Schreibtisch herum.
»Derzeit habe ich ohnehin nichts Besseres zu tun…«
Er griff nach dem Durcheinander aus verkohltem Holz, zog…
Herr Nadel kam wie ein Dämonenkönig aus der Tiefe empor. Rauch
strömte von ihm, und er gab einen langen, schrillen Schrei von sich. Er stieg noch weiter auf, stieß Gutenhügel mit einem Schwinger beiseite
und schloss dann beide Hände um Williams Hals, während ihn sein
Sprung noch weiter nach oben trug.
William kippte nach hinten, fiel auf den Schreibtisch und spürte ste-
chenden Schmerz, als sich ihm etwas in den Arm bohrte. Doch dies
war nicht der geeignete Zeitpunkt, um über Schmerz nachzudenken,
den er bereits empfunden hatte. Weitaus größere Bedeutung hatte die
Pein, die ihm unmittelbar bevorstand. Das Gesicht des Wesens war nur wenige Zentimeter von ihm entfernt: Weit aufgerissene Augen starrten
durch Wil iam hindurch und sahen etwas Schreckliches, während sich die Hände noch fester um seinen Hals schlossen.
Es wäre William nicht im Traum eingefallen, einen so abgedrosche-
nen Ausdruck wie »fest wie ein Schraubstock« zu verwenden, doch als
sich sein Bewusstein in einen Tunnel mit roten Wänden verwandelte,
sagte sein innerer Lektor: Ja, so würde es sich anfühlen, der starke me-
chanische Druck…
Herr Nadel verdrehte die Augen. Sein Schrei verklang. Er wankte zur
Seite und krümmte sich dabei zusammen.
William hob den Kopf und
Weitere Kostenlose Bücher