Die volle Wahrheit
fünfzehn
Zentimeter lang sein. Zettel waren darauf aufgespießt. William berührte
ihn, aber der Nagel fiel nicht um. Jemand hatte ihn durch einen Holz-
block gehämmert.
»Das ist ein Dorn«, erklärte Sacharissa. »Ich, äh, habe ihn mitgebracht,
um unsere Papiere in Ordnung zu halten. M-mein Großvater benutzt
immer einen, so wie al e anderen Graveure. Es… es ist eine Art Mi-
schung aus Aktenschrank und Papierkorb. Ich dachte, das könnte nütz-
lich sein. So brauchst du nicht den Boden zu benutzen.«
»Äh, ja, gute Idee«, sagte Wil iam und sah in ein erneut errötendes
Gesicht. »Äh…«
Er konnte nicht mehr klar denken. »Herr Gutenhügel?«, rief er.
Der Zwerg sah von einem Theaterprogramm auf, das er gerade setzte.
»Kannst du die Drucktypen vorbereiten, während ich diktiere?«
»Ja.«
»Sacharissa, bitte geh zu Ron und seinen… Freunden. Ich möchte so bald wie möglich eine kleine Zeitung herausbringen. Nicht morgen
früh, sondern jetzt sofort. Bitte?«
Sie wol te Einwände erheben und sah dann den Glanz in seinen Au-
gen. »Bist du sicher, dass du die Erlaubnis dazu hast?«, fragte sie.
»Nein! Das bin ich nicht! Ich weiß es erst, nachdem die Sonderausga-
be der Zeitung erschienen ist! Deshalb muss sie ja erscheinen! Damit
ich anschließend Bescheid weiß! Und es tut mir Leid, dass ich schreie!«
William schob seinen Stuhl beiseite und ging zu Gutenhügel, der ge-
duldig an einem Fach mit Typen stand.
»Na schön… Wir brauchen eine Überschrift…« William schloss die
Augen und zwickte sich den Nasenrücken, während er überlegte.
»Äh… ›Erstaunliche Szenen in Ankh-Morpork‹… Hast du das? In gro-
ßen Buchstaben. Und in kleinerer Schrift darunter… ›Patrizier greift
Sekretär mit Messer an‹… Äh…« Es klang nicht richtig. Es war gram-
matikalisch ungenau. Der Patrizier hatte das Messer in der Hand gehal-
ten, nicht der Sekretär. »Das klären wir später… äh… Und in kleinerer
Schrift darunter… ›Geheimnisvolle Ereignisse im Stall‹… Und einen
Schriftgrad kleiner… ›Wache verwirrt‹. In Ordnung? Und jetzt begin-
nen wir mit der Geschichte…«
»Wir beginnen damit?«, fragte Gutenhügel, während seine Hand über
das Fach mit den Drucktypen huschte. »Ist sie nicht schon fast zu En-
de?«
William blätterte durch seine Notizen. Wie sol te er anfangen? ›Eine
interessante Begebenheit…‹ Nein, ›Erstaunliches ereignete sich…‹, ›Er-
staunliche Dinge…‹. Nein, nein… Die Geschichte selbst hätte kaum
erstaunlicher und seltsamer sein können…
»›Verdächtige Umstände begleiten den Angriff‹… Nein, daraus ma-
chen wir besser ›den angeblichen Angriff‹…«
»Du hast doch gesagt, er hätte es zugegeben «, meinte Sacharissa und betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch.
»Ich weiß, ich weiß, es ist nur… Ich muss immer wieder an Folgendes
denken: Wenn Lord Vetinari wirklich beabsichtigt hätte, jemanden um-
zubringen, so wäre der Betreffende kaum mit dem Leben davonge-
kommen. Sieh mal in Twurps Adelsverzeichnis nach. Ich bin ziemlich sicher, dass er in der Assassinengilde ausgebildet wurde…«
»Angeblich oder nicht?«, fragte Gutenhügel. Seine Hand schwebte
über den As. »Du brauchst es nur zu sagen.«
»Wir ändern den Text so: ›den mutmaßlichen Angriff Lord Vetinaris auf seinen Sekretär Rufus Drumknott heute im Palast‹«, sagte William.
»Äh… äh… ›Die Bediensteten des Palastes hörten…‹«
»Soll ich an dieser Sache arbeiten oder die Bettler holen?«, erkundigte
sich Sacharissa. »Beides zur gleichen Zeit ist nicht möglich.«
Einige Sekunden musterte William sie verwirrt. Dann nickte er.
»Rocky?«
Der Trol an der Tür erwachte mit einem Schnaufen. »Ja, Herr?«
»Such den Stinkenden Alten Ron und die anderen. Sie sol en so
schnel wie möglich hierher kommen. Stel ihnen eine Zulage in Aus-
sicht. Nun, wo bin ich stehen geblieben?«
»›Die Bediensteten des Palastes hörten…‹«, sagte Gutenhügel.
»›… wie Seine Exzellenz…‹«
»… der die Abschlussprüfung der Assassinengilde im Jahr 1968 mit
Auszeichnung bestand…!«, rief Sacharissa.
»Füg das hinzu«, sagte Wil iam mit Nachdruck. »Und dann fahren wir
fort mit ›sagte: Ich habe ihn getötet, ich habe ihn getötet, es tut mir
Leid…‹ Meine Güte, Mumm hat Recht. Dies ist doch verrückt. Der
Patrizier müsste völlig übergeschnappt sein, so etwas zu sagen.«
»Herr de Worde,
Weitere Kostenlose Bücher