Die volle Wahrheit
müsste Ver-
änderungen geben. Herr Langschacht betonte, er könnte nicht für die
Stadt sprechen, aber nach dem, was er in der letzten Zeit gehört hätte,
gingen die Edelsteingeschäfte sehr gut. Herr Flach äußerte die Ansicht,
die Wache könnte nicht einmal mit beiden Händen ihren eigenen Hin-
tern finden – eine Bemerkung, die fast zu seiner Verbannung in die Küche führte. Man gelangte zu dem Schluss, dass Vetinari das Verbrechen tatsächlich verübt hatte und dafür büßen sol te. Der Hauptgang
vertagte sich auf 20.45 Uhr, und ihm folgten auseinander fallende
Pflaumen in dünner Vanillesoße. Als wortlosen Tadel bekam Herr
Flach weniger Pflaumen als die anderen.
William zog sich früh in sein Zimmer zurück. Er hatte sich an Frau
Arkanums Küche gewöhnt, aber nur umfangreiche Operationen hätten
ihn veranlassen können, ihren Kaffee zu mögen.
Im Dunkeln streckte er sich auf dem schmalen Bett aus (Frau Arka-
num stellte pro Woche eine Kerze zur Verfügung, und er hatte verges-
sen, welche zu kaufen) und versuchte nachzudenken.
Herr Schräg schritt über den Holzboden des leeren Bal saals, und das
Geräusch seiner Schritte hallte von den Wänden wider.
Er blieb im Kreis der Kerzen stehen und fühlte sich von Unruhe er-
fasst. Als Zombie machte ihn die Nähe von Feuer immer nervös.
Er hüstelte.
»Nun?«, fragte ein Sessel.
»Sie haben den Hund nicht erwischt«, sagte Herr Schräg. »Ich möchte
betonen, dass sie in jeder anderen Hinsicht gute Arbeit geleistet haben.«
»Wie schlimm könnte es sein, wenn die Wache den Hund findet?«
»Soweit ich weiß, ist das fragliche Tier recht alt«, antwortete Herr
Schräg und blickte ins Licht der Kerzen. »Ich habe Herrn Nadel ange-
wiesen, nach ihm zu suchen, aber es dürfte ihm recht schwer fal en,
Zugang zum Hunde-Untergrund der Stadt zu bekommen.«
»Es gibt noch andere Werwölfe in Ankh-Morpork, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Herr Schräg sofort. »Aber sie werden ihm nicht helfen. Es
sind nur wenige, und Feldwebel Angua von der Wache spielt eine wichti-
ge Rol e in der Werwolfsgemeinschaft. Sie helfen Fremden deshalb nicht, weil sie es herausfinden würde.«
»Fürchten sie die Wache?«
»Ich glaube, ihre Sorge gilt in erster Linie Angua«, erwiderte Schräg.
»Vermutlich ist der Köter längst im Kochtopf irgendeines Zwergs ge-
landet«, sagte ein Sessel. Diesen Worten folgte al gemeines Gelächter.
»Wenn irgendetwas… schief geht«, ließ sich ein Sessel vernehmen.
»Wen kennen diese Männer?«
»Sie kennen mich«, sagte Herr Schräg. »Macht euch keine unnötigen
Sorgen. Mumm hält sich an die Regeln.«
»Ich habe ihn immer für einen sehr gewalttätigen und gemeinen Mann
gehalten«, meinte ein Sessel.
»In der Tat. Und weil Mumm weiß, dass er gewalttätig und gemein ist,
hält er sich an die Regeln. Wie dem auch sei: Morgen versammeln sich
die Gilden.«
»Wer wird der neue Patrizier sein?«, fragte ein Sessel.
»Das hängt von ausgiebigen Diskussionen und der Berücksichtigung
aller unterschiedlichen Meinungen ab«, sagte Herr Schräg. Mit seiner
Stimme hätte man Uhren ölen können.
»Herr Schräg?«, fragte ein Sessel.
»Ja?«
»Komm uns nicht so. Es wird Herr Pirsch sein, oder?«
»Herr Pirsch genießt zweifel os hohes Ansehen bei den führenden
Persönlichkeiten der Stadt«, erwiderte der Anwalt.
»Gut.«
Ein lautloses Gespräch hing in der muffigen Luft.
Absolut niemand brauchte zu sagen: Viele der mächtigsten Männer in
der Stadt verdanken ihre Position Lord Vetinari.
Und niemand antwortete: Gewiss. Aber für Männer, die in erster Li-
nie nach Macht streben, spielt Dankbarkeit nur eine untergeordnete
Rol e. Nach Macht strebende Männer befassen sich immer mit der aktu-
el en Situation. Sie würden nie versuchen, Vetinari abzusetzen, aber ohne ihn als Patrizier wären sie sicher bereit, praktisch zu denken.
Niemand fragte: Gibt es denn niemanden, der für Lord Vetinari sprechen würde?
Stille antwortete: Oh, alle würden für ihn sprechen und Dinge sagen wie: »Armer Kerl, bestimmt lag es an dem Stress, den sein Amt mit sich
brachte.« Und: »Gerade die Stillen schnappen früher oder später über.«
Und: »Ja, das stimmt. Wir sollten ihn an einem sicheren Ort unterbrin-
gen, wo er weder sich selbst noch anderen schaden kann, meint ihr
nicht?« Und: »Viel eicht wäre ein kleines Denkmal angebracht.« Und:
»Wir könnten wenigstens die Wache zurückpfeifen; zumindest so
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