Die volle Wahrheit
nicht…«
Herr Tulpe nahm seinem Partner den silbernen Kerzenhalter aus der
Hand.
»Ich meine, sieh dir das …te Ding nur an«, sagte Herr Tulpe und
schenkte dem verwirrten Priester keine Beachtung. »Das ist ein echter
Sellini! Fünfhundert Jahre alt! Beachte die Ziselierungen am Kerzenlö-
scher! Meine Güte, für dich ist dies nichts weiter als ein fünf Pfund
schwerer Gegenstand aus Silber.«
»Eigentlich ist es ein, ähm, Fälschmich«, sagte der alte Priester, der
immer noch nicht auf vol e geistige Geschwindigkeit beschleunigt hatte.
»Was, der Schüler?«, fragte Herr Tulpe, und vor lauter Überraschung
drehten sich seine Augen nicht mehr. Er betrachtete den Sockel des
Kerzenhalters. »He, das stimmt! Hier ist Sellinis Zeichen, aber man hat
ihm ein kleines f hinzugefügt. Zum ersten Mal sehe ich etwas von sei-
nen …ten frühen Werken. Er war ein …t besserer Silberschmied. Nur
schade, dass er einen so …t blöden Namen hatte. Weißt du, für wel-
chen Preis sich dieses Ding verkaufen ließe, Herr Pfarrer?«
»Wir dachten an ungefähr siebzig Dol ar«, erwiderte der Priester hoff-
nungsvoll. »Wir haben den Kerzenhalter bei einigen Möbeln gefunden,
die eine alte Frau der Kirche hinterlassen hat. Eigentlich haben wir ihn
nur behalten, weil er einen Liebhaberwert für uns hat…«
»Habt ihr noch seinen Kasten?«, fragte Herr Tulpe. Er drehte den
Kerzenhalter hin und her. »Er hat wundervol e …te Geschenkkästen
hergestel t. Aus Kirschbaumholz.«
»Äh… nein, ich glaube nicht…«
»…t schade.«
»Äh… ist er noch immer etwas wert? Ich glaube, irgendwo haben wir
noch einen zweiten.«
»Ein Sammler würde viertausend …te Dol ar dafür bezahlen«, sagte
Herr Tulpe. »Aber ich schätze, mit einem …ten Paar ließen sich bis zu
zwölftausend erzielen. Fälschmich ist derzeit bei den Sammlern sehr
beliebt.«
»Zwölftausend«, brachte der Priester hervor. In seinen Augen glühte
eine Todsünde.
»Vielleicht sogar noch mehr.« Herr Tulpe nickte. »Es ist ein …t
prächtiges Stück. Dass ich es betrachten durfte… Ich fühle mich privi-
legiert.« Er richtete einen bösen Blick auf Herrn Nadel. »Und du woll-
test ihn als stumpfen Gegenstand verwenden.«
Vol er Ehrfurcht stellte er den Kerzenhalter auf den Tisch der Sakris-
tei und wischte ihn behutsam mit dem Ärmel ab. Dann drehte er sich
um und rammte dem Priester die Faust an den Kopf. Der Alte faltete
sich mit einem leisen Seufzen zusammen.
»Und sie haben ihn in einem …ten Schrank aufbewahrt«, sagte er.
»Meine Güte, ich könnte …t spucken !«
»Möchtest du ihn mitnehmen?«, fragte Herr Nadel und stopfte Klei-
dung in einen Beutel.
»Nein«, entgegnete Herr Tulpe. »Die Hehler in dieser Stadt würden
ihn wahrscheinlich wegen des Silbers einschmelzen. Damit möchte ich
mein …tes Gewissen nicht belasten. Lass uns die Suche nach dem
…ten Hund fortsetzen und dieses Dreckloch anschließend verlassen.
Hier könnte ich verzagen .«
William drehte sich auf den Rücken, erwachte und starrte aus weit auf-
gerissenen Augen an die Decke.
Zwei Minuten später kam Frau Arkanum die Treppe herunter und
betrat die Küche, bewaffnet mit einer Lampe, einem Schürhaken und
vor allem ihren Lockenwicklern. Ein Einbrecher, der bei einem solchen
Anblick nicht sofort die Fluch ergriff, musste über eine ganz besondere
Widerstandskraft verfügen.
»Herr de Worde! Was machst du da? Es ist Mitternacht!«
William sah kurz auf und setzte dann die Suche in den offenen Kü-
chenschränken fort. »Entschuldige bitte, dass ich die Pfannen umgesto-
ßen habe, Frau Arkanum. Ich komme für al e Schäden auf. Wo ist die
Waage?«
»Die Waage?«
»Die Waage! Die Küchenwaage! Wo steckt sie?«
»Herr de Worde, ich…«
»Wo ist die verdammte Küchenwaage, Frau Arkanum?«, fragte Wil i-
am verzweifelt.
»Herr de Worde! Du solltest dich was schämen!«
»Die Zukunft der ganzen Stadt hängt davon ab, Frau Arkanum!«
Verwirrung nahm den Platz der Empörung ein. »Was, von meiner
Waage?«
»Ja! Ja! Das könnte durchaus sein!«
»Nun… äh… Sie steht in der Speisekammer beim Beutel mit dem
Mehl. Die ganze Stadt, meinst du?«
»Es ist nicht auszuschließen!« William füllte seine Taschen mit großen
Messinggewichten und fühlte, wie sie seine Jacke nach unten zerrten.
»Du kannst den alten Kartoffelsack benutzen«, sagte Frau Arkanum,
die inzwischen nervös geworden war.
William nahm den Sack,
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