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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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saß aufrecht im Bett, auf
dem Kopf ein elegantes Frisierhäubchen und über dem Nachthemd eine Wolljacke.
Sie lächelte, als Julia eintrat, und streckte ihre Hand aus. Aber sie hatte
auch eine Beschwerde vorzubringen, und mit dem freimütigen Egoismus des Alters
machte sie ihrem Herzen sogleich Luft.
    „Ich bin wieder eingeschlafen“,
verkündete sie streng. „Natürlich nur deshalb, weil Susan mich gezwungen hat,
im Bett zu frühstücken. Es ist gar nicht gut für mich, und außerdem ist mein
ganzes Bett voller Krümel.“
    „In zehn Minuten kannst du aufstehen“,
sagte Susan besänftigend. „Claudia läßt schon das Badewasser für dich ein.“
    „Ich Volke heute schon früh aufstehen“,
fuhr Mrs. Packett beharrlich fort. „Ich wollte auf sein, um dich zu empfangen,
Julia, aber Susan hat es nicht erlaubt. Sie will auch nicht, daß ich zum Lunch
hinunterkomme, weil...“
    „Großmutter!“
    „Geh raus, Susan!“ Mrs. Packett
wartete, bis Susan das Zimmer verlassen hatte, und sprach ihren angefangenen
Satz dann zu Ende: „...weil sie dir diesen jungen Mann selbst vorführen will.
Sie fürchtet nämlich, ich könnte einen störenden Einfluß ausüben, wie beim
Tischrücken, weißt du. Du wirst sehr bald merken, meine Liebe, daß Susan alles
mit mir tut, was sie will.“
    Julia lächelte.
    „Ganz so schlimm wird es wohl nicht
sein. Du weißt, warum ich gekommen bin?“
    „Natürlich weiß ich, und ich bin froh,
daß du da bist. Zieh die Gardine auf und laß dich anschauen.“
    Julia tat, wie ihr befohlen, und ließ
einen Streifen Sonnenlicht herein, der nicht nur auf sie selbst, sondern auch
auf Mrs. Packett fiel. Die alte Dame konnte es gut vertragen. Ihr derbes,
wetterbraunes Gesicht sah frisch und lebhaft aus, und ihre kleinen, grauen
Augen blickten interessiert in die Welt. Das Alter stand ihr gut. Als Mädchen
mußte sie hübsch gewesen sein. In ihren mittleren Jahren, so wie sich Julia
ihrer in Barton erinnerte, hatte sie sich in ihrer nachlässig gekleideten
Erscheinung kaum von dem allgemeinen düsteren Hintergrund wohlerzogener
Anspruchslosigkeit abgehoben. Jetzt war ihre Persönlichkeit ungebrochen wieder
zum Vorschein gekommen mit ihren zu Prinzipien erhobenen Vorurteilen und ihrer
zu Würde gereiften Anspruchslosigkeit. Sie ist nicht kleinzukriegen, dachte
Julia bewundernd.
    „Du bist dicker geworden“, bemerkte
Mrs. Packett. „Aber du siehst gut aus. Was hast du die ganze Zeit über
getrieben?“
    Julia antwortete nicht gleich. Die
Gestalt Mr. Macdermots — und die von manchen anderen — zog rasch an ihrem
inneren Auge vorüber. Der Tag in Elstree, an dem sie in den Springbrunnen fiel
— fünfmal in drei Stunden — war noch lebhaft in ihrem Gedächtnis. Und auch
verschiedene andere Episoden, die zu ihrer Zeit alle ebenso interessant und
bedeutungsvoll gewesen waren, wie sie jetzt für eine Erzählung denkbar
ungeeignet erschienen.
    „Nichts Besonderes“, sagte sie. „Ich
habe nur in der Stadt gelebt.“
    „Du hast keine Konditorei aufgemacht?“
    „Eine Konditorei?“ Julia war
überrascht. „Ich habe nie daran gedacht.“
    „Aber ich“, sagte Mrs. Packett
energisch. „Erst gestern abend mußte ich daran denken. Es würde sehr gut zu dir
passen — und das Kapital dafür hast du ja auch.“
    Hier war etwas von dem dünnen Eis, das
Julia gefürchtet hatte. Sie wagte einen kühnen Vorstoß.
    „Und wenn ich es nun verloren hätte?“
    „Das konntest du gar nicht, wenn du
halbwegs vernünftig warst. Alle meine Londoner Bekannten klagen darüber, daß
sie nirgends hausgebackenen Kuchen bekommen können. Ich könnte dir auf der
Stelle zwanzig Adressen geben. Ich würde allen persönlich schreiben. Und wenn
du Lust hast, gebe ich dir das Rezept von meinen Käsetaschen, einer Spezialität
von mir. Du kannst es selbst ausprobieren, solange du hier bist.“
    Julia hörte sich diese Pläne erstaunt
mit an. Sie hätte ihrer Schwiegermutter niemals so viel Unternehmungsgeist
zugetraut. Aber ein Thema, das die Geldfrage berührte, war ihrer Meinung nach
zu heikel, um näher darauf einzugehen.
    „Ich will es mir überlegen“, sagte sie.
„Im Augenblick kann ich an nichts anderes denken als an Susan. Ich fürchte, du
glaubst, daß ich hergekommen bin, mich einzumischen.“
    „Natürlich bist du das“, sagte Mrs.
Packett. „Aber das soll kein Vorwurf sein, auch nicht gegen Susan, obwohl ich
finde, daß sie sich höchst töricht benimmt. Wahrscheinlich hast du erwartet,
sie bei Wasser

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