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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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Der
Anblick der drei Gedecke, des Silbers und der Gläser sowie der Karaffe mit Wein
machten ihr Hoffnung. Sie war einem Cocktail nicht abgeneigt, wenn jedoch die
Gewohnheiten von Barton beibehalten worden waren, würde es wahrscheinlich
keinen geben.
    Es muß auch ohne gehen, dachte Julia,
als sie zu dem Sitzplatz unter der Linde zurückging. Sie sind sehr schädlich
für die Haut, und es wäre ein schlechtes Beispiel für Susan. Außerdem behauptet
jeder Weinkenner, sie seien ein fürchterliches Gesöff. Am liebsten würde ich
jetzt einen Manhattan trinken.
    Mit einer gewissen Mühe zwang sie sich,
an etwas anderes zu denken, und wandte ihre Gedanken der überraschenden
Veränderung zu, die mit Mrs. Packett vor sich gegangen war. Die Lebhaftigkeit
der alten Dame hatte einen tiefen Eindruck auf sie gemacht. So war sie in
Barton nicht, überlegte Julia verwundert. Wenn sie mir damals geraten hätte,
eine Konditorei aufzumachen, würde ich es vielleicht getan haben. Oder hatte
ihre Schwiegermutter schon damals solchen geschäftlichen Unternehmungsgeist
besessen, und war sie, Julia, nur zu sehr von den Gedanken an ihr eigenes
Unglück bedrückt gewesen und zu unempfänglich für alle äußeren Eindrücke, um es
zu bemerken? Julia glaubte es nicht. Sie hielt ihre Schwiegermutter eher für
jenen unter den englischen Frauen nicht seltenen Typ, bei dem sich die
Individualität erst im Alter entwickelt: für eine von den Frauen, die mit
einundsechzig die Verwandtschaft dadurch entsetzen, daß sie plötzlich eine
Leidenschaft fürs Fliegen bekunden oder ihren Schofför heiraten...
    „Nun?“ hörte sie Susans Stimme. „Wie
findest du Großmutter?“
    „Fabelhaft“, sagte Julia prompt. „Ist
sie schon mal geflogen?“
    Susan sah sie überrascht an.
    „Nein, noch nicht. Aber sie hat davon
gesprochen — verrückt, nicht wahr? —, daß sie nach Paris fliegen wolle. Ich
finde, das ist viel zu anstrengend für sie.“
    „Na, du wirst noch deine liebe Not
haben, sie davon abzubringen, nach Hause zu fliegen“, prophezeite Julia und zog
ihre Füße ein, um Susan vorbeizulassen. Aber Susan rührte sich nicht vom Fleck.
Sie war nicht herausgekommen, um über ihre Großmutter zu reden.
    „Das Essen ist angerichtet“, sagte sie.
„Und — er ist da.“
    Julia folgte ihr in das Eßzimmer und
sah vor sich einen jungen Mann, dunkelbraun gebrannt, der sie mit einem liebenswürdigen
Lächeln begrüßte. Er trug ein blaues Hemd, hellbraune Hosen und Sandalen, die
früher einmal weiß gewesen waren.
     
    *
     
    „Das ist Bryan Relton — meine Mutter“,
sagte Susan in der Tür.
    Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem
Grinsen.
    „Bonjour, Madame!“
    Verflucht noch mal! dachte Julia. Doch
zum Verwundern blieb ihr keine Zeit. Die Überraschung war ihr deutlich
anzumerken, aber sie faßte sich schnell.
    „Bonjour, mon homme“, sagte Julia
liebenswürdig. „Wir haben uns bereits gesehen, Susan, und ich habe ihn für den
Gärtner gehalten.“
    Susan fiel in ihr Lachen mit ein, aber
es klang nicht ganz echt. Bryan war ihr Eigentum, ihre Überraschung: sie war
wie ein Kind, das seine Puppe im Gartenschuppen versteckt hat und sie plötzlich
unter den Erwachsenen herumspringend findet. Die Erwachsenen konnten nichts
dafür, aber von der Puppe war es taktlos, sich aus ihrem Versteck
herauszuwagen.
    „Kein Wunder, so wie er hier herumläuft“,
sagte sie und zog amüsiert ihre Brauen hoch.
    „Praktisch, billig und malerisch“,
erklärte der junge Mann. „Paßt das nicht viel besser in diese Landschaft, Mrs.
Packett, als ein eleganter Sommeranzug?“
    „Doch, durchaus“, stimmte Julia zu. Und
wenn du glaubst, daß du mich zum besten haben kannst, fügte sie in Gedanken
hinzu, dann hast du dich geirrt.
    Sie setzten sich und aßen
selbstgeerntete Hors d’oeuvre — Eier und Radieschen, gehackte Zwiebeln und
Bohnensalat. Das Essen war ausgezeichnet, und die Mahlzeit verlief sehr
angeregt. Susan beschrieb die Schönheiten der Umgegend, und Julia erzählte —
mit Auslassungen — von ihren Reiseerlebnissen. Die Lücken waren
erklärlicherweise so groß, daß es tatsächlich nichts zu berichten gab außer der
stürmischen Überfahrt, der Leere des Pariser Zuges und dem bequemen
Schlafwagenbett; aber Susan wenigstens schien eine derart ereignislose Reise
keineswegs unnatürlich zu sein.
    Bei Bryan war Julia sich nicht ganz
sicher. „Arme Mrs. Packett“, sagte er. „Haben Sie denn nicht eine einzige
Menschenseele zur Unterhaltung

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