Die Voodoo-Witwe
sie mit einer Waffe umgehen konnte. Haarscharf nur war die Kugel an meiner Stirn vorbeigesaust und mit einem klatschenden Laut in die Wand gedrungen.
Obwohl mich der Schreck durchflutet hatte, blieb ich gelassen. Was ich innerlich erlebte, ließ ich mir äußerlich nicht anmerken. Wie ein Denkmal stand ich da.
Das gefiel ihr auch nicht. »Nur abgebrühte Bullen reagieren so wie du, mein Freund. Du bist ein Bulle, ein verdammter Hundesohn.«
»Kann sein.«
»Wenn mir deine Antworten nicht gefallen, Sinclair, wirst du deinen Kopf zwar behalten können, aber mit einem Loch darin. Ich weiß nicht, ob es das ist, wovon du träumst.«
»Kaum.«
»Wer also schickte dich?«
»London.«
»Schön, da ist Scotland Yard.«
»Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich komme von Scotland Yard und bin auf der Suche nach einer Person, die in London und Umgebung eine Spur des Schreckens hinterlassen hat. Sie werden diese Person bestimmt gut kennen…«
Da lachte sie.
Ja, sie lachte, und es kam mir vor, als wollte sie mich auslachen und mir alles ins Gesicht schleudern, was sie an Haß für mich empfand. Ihr Lachen klang schadenfroh und war gleichzeitig wie ein böses, wütendes Bellen. »Du willst den Häuter stellen?«
»Genau ihn.«
»Das schaffst du nicht, Sinclair. Der ist besser. Der ist besser als alle anderen. Der Häuter ist nicht zu stellen und nicht zu stoppen. Das solltest du eigentlich schon gemerkt haben. Du hast keine Chance.«
»Sie kennen ihn also.«
»Sehr gut sogar.«
»Befindet er sich hier auf dem Schiff?«
»Was denkst du?«
»Ja.«
»Du hast recht, John! Er befindet sich hier. Und er ist eine wichtige Person. Nein, ich habe mich geirrt. Er ist die wichtigste Person. Um ihn dreht es sich, ohne ihn läuft nichts. So und nicht anders sind die Grenzen gesteckt.«
»Dann hat er den Mann geköpft?«
»Ja.«
»Warum?«
»Er war ein Feind. Er ist uns aus der Karibik nachgereist, um uns zu vernichten. Er war eigentlich unser Lehrmeister, ein Medizinmann, einer, der viel wußte, ein Hougun, der den Schrecken ahnte. Aber er hat es nicht geschafft, wir waren schneller.«
»Und nicht gerade rücksichtsvoll, wenn ich daran denke, daß der Kopf in einem Luxushotel gestanden hat.«
»Es war nicht meine Schuld. Ich konnte den Häuter nicht davon abhalten, zu groß war sein Haß auf ihn. Er mußte sich freie Bahn verschaffen, er wollte allen zeigen und beweisen, daß er da ist, daß man mit ihm wieder rechnen muß.«
»Ja, ich habe mit ihm gerechnet. Darf ich dann fragen, wie es weitergehen wird?«
»Mit einem Fest.«
»Die Voodoo-Schau?«
»Sicher.« Sie bewegte sich, trat an das Bett heran und nahm mit der freien Hand meine Beretta an sich. »Es ist das Fest für mich, Sinclair, nur für mich.«
»Darf ich Näheres wissen?«
»Nein, denn du wirst es nicht erleben. Aber ich kann dir versprechen, daß es ein Fest sein wird, wie es die Leute hier noch nie zuvor erlebt haben.«
»Was ist daran so Besonderes? Klar, ich kann mir vorstellen, daß bei einer Voodoo-Fete lebende Leichen erscheinen. Voodoo und Zombies gehören zusammen und…«
»Du irrst wieder, Sinclair. Es dreht sich hier nicht unbedingt um Zombies, es geht um mich, allein um mich, um den Häuter und um dessen Beute.«
Mehr sagte sie nicht, denn sie zog sich zur Tür hin zurück. Und dabei war die Waffenmündung stets auf mich gerichtet. »Ich werde dich jetzt verlassen, wahrscheinlich sehe ich dich noch einmal wieder. Dann aber als Leiche, John Sinclair.«
Sie öffnete die Tür und schoß noch einmal. Wieder mit ihrer Waffe, meine steckte in ihrem Bademantel, wo sie die rechte Seitentasche ausbeulte. Und diesmal warf ich mich zu Boden.
Ich wußte nicht, ob die Kugel gezielt gefeuert und ich schneller gewesen war, jedenfalls erwischte mich das Blei nicht. Es hieb in einen der schwarzen Sessel.
Ich rollte mich zur Seite, zog die Beine an und sprang auf. Die Tür war bereits geschlossen, keine Spur mehr von der Frau, und als ich an der Klinge rüttelte, stellte ich fest, daß dieses Weib sie auch abgeschlossen hatte.
Ich war der Verlierer!
Wütend drehte ich mich um, trommelte noch einmal gegen die Tür und stellte fest, daß ihr Holz unnatürlich dick und hart war. Als wäre es von innen verstärkt worden.
Da kam ich mit bloßen Fäusten nicht durch.
Und die Fenster oder Bullaugen?
Bisher hatte ich keine gesehen, konnte mir aber nicht vorstellen, daß es keine gab.
Sie waren tatsächlich vorhanden, bisher allerdings nur
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