Die Voodoo-Witwe
stehenblieb.
»Das ist der Kapitän«, wisperte Denise.
Der Mann kam näher und zupfte an seiner hellen Uniform. Er grüßte sehr höflich und erkundigte sich dann, ob er etwas für die Herrschaften tun könne.
»Nicht direkt«, meinte Suko. »Aber sagen Sie, ist Feuer an Bord nicht verboten?«
Der Mann wiegte den Kopf. »Eigentlich schon, aber es gibt eben genügend Menschen, die anders darüber denken. Wir sind hier in Monaco einiges gewohnt, das können Sie mir glauben. Die Leute hier amüsieren sich eben anders oder origineller, doch wir sind da auch tolerant.«
»Wie läuft das Fest denn ab?«
Der Kapitän lachte. »Da fragen Sie mich zuviel, Monsieur. Auch ich erlebe es zum erstenmal. Diese Voodoo-Nacht ist für mich ebenfalls absolutes Neuland.«
»Aber die Besitzerin der Yacht kennen Sie schon länger.«
»Ja, sie heuert uns hin und wieder an. Aber jetzt entschuldigen Sie mich, ich muß auf die Brücke. Und viel Spaß noch.« Er tippte an seine Mütze und verschwand.
»Wollte oder konnte er nichts sagen?« fragte Denise.
»Wahrscheinlich trifft beides zu.«
»Angst um den Job, wie?«
»Durchaus möglich.«
Sie lachte auf und warf dabei den Kopf zurück. »Weißt du, Suko, die Menschen sind alle nicht locker genug.«
»Bist du es denn?«
Denise verzog das Gesicht, weil heftige Schmerzen ihren Rücken durchtosten. »Kann ich dir nicht sagen. Noch vor zwei Stunden war ich es. Heute sehe ich die Welt und auch meine Mitmenschen mit anderen Augen an. Es ist einfach nicht zu fassen, nicht zu erklären. Für mich kommt das alles nicht mehr in Frage. Ich bin… ja, was bin ich eigentlich? Ich habe mich gewandelt.«
»Das ist nicht immer gut.«
»Für mich schon! Wenn ich hier heil herauskomme, werde ich mir einen Job suchen. Es gibt an der Küste genügend Läden, in denen Verkäuferinnen gesucht werden. Damit fange ich an. Zeit, um richtig zu leben, finde ich auch noch.«
Suko lächelte. »Ich gönne es dir.«
Dann gingen sie, und es fiel beiden auf, daß sie so gut wie keine Stimmen hörten. Die zahlreichen Gäste schienen alle unter einem Bann zu stehen, der ihnen die Stimme geraubt hatte.
Sukos rechte Hand befand sich in Griffweite der Beretta. Er rechnete mit dem Schlimmsten, ebenso wie Denise, denn sie schaute sich ständig um, als sie neben Suko herschlich. Beide atmeten auf, als sie die Aufbauten hinter sich gelassen hatten. Auch auf der Brücke brannte nur mehr die Notbeleuchtung. Nichts sollte das andere, das unheimliche Licht stören.
Und als unheimlich empfanden sie die Szenerie auch, als sich ihr Blickfeld öffnete.
Die Stelle am Heck, wo noch vor kurzer Zeit die Fete abgelaufen war, hatte sich völlig verändert. Die alkoholschwangere Fröhlichkeit war einer beklemmenden und gespenstischen Atmosphäre gewichen, ausgelöst durch die lodernden Feuer, die den Eindruck von Scheiterhaufen hinterließen. Die beiden zählten vier Feuer. Sie waren so angelegt, daß sie ein Quadrat bildeten, in dessen Mitte eine kreisrunde Matte lag, die mit weißem Pulver bedeckt war, das durch bestimmte Zeichnungen — den Veves — eine magische Kraft bekommen hatte.
Denise konnte es nicht begreifen. Sie drückte Sukos Hand. Als dieser schaute, sah er, wie sie etwas sagen wollte. Er aber schüttelte schnell den Kopf. Niemand sollte wissen, daß sie sich in der Nähe befanden, denn von den Gästen waren sie noch nicht bemerkt worden. Sie drehten ihnen entweder ihre Rücken, die Profile, aber auch die Vorderseiten zu, wobei letztere die Blicke gesenkt hielten und gegen die Flammen starrten. Keiner kümmerte sich um den anderen, jeder schien alles, was sich ereignete, mit sich selbst auszumachen.
Suko fiel auch die veränderte Kleidung der Gäste auf. Ob Mann oder Frau, sie alle hatten dunkle, sehr weite Tücher bekommen, die über ihren Schultern hingen und bei den Frauen noch die Köpfe bedeckten. Suko erinnerten sie an düstere Leichentücher.
Manchmal bewegten die Männer ihre Hände und schleuderten irgendein Pulver in die Flammen. Immer dann, wenn das Zeug hineinrieselte, leuchteten sie grün auf. Gleichzeitig bildeten sich Wolken, die wie Nebel in die Lücke zwischen den Feuern hineintrieben und den ätzenden Geruch ausströmten, den beide schon auf dem Weg zum Ziel wahrgenommen hatten.
»Was soll das bedeuten«, wisperte Denise.
Suko hob die Schultern. »Es kann sein, daß sie einen bestimmten Dämon anrufen wollen.«
»Was ist das? Aber die Leute waren vorhin doch noch normal. Das kann ich
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