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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Schritte getraute sie sich nicht zu machen. Schon aus einiger Distanz war zu sehen, dass das Grab einem Schlachtfeld glich und die Blumen und Gestecke in einem Umkreis von zehn Metern verteilt lagen.
    Sie drehte sich um, steckte den Putzlappen und alle anderen Utensilien hastig in die Tüte und machte sich auf den Weg. Die alte Martineck war lang nicht mehr so schnell gelaufen.

14
    Wencke saß allein am Frühstückstisch und konnte sich in aller Ruhe vorwerfen, dass sie gestern so übertrieben aufgeregt diesen Brief zu Axel Sanders geschickt hatte. Aus welchem Grund eigentlich? Fingerabdrücke checken! Nur weil eine überspannte Schwangere unter Verfolgungswahn litt?
    Axel Sanders sagte oft, wenn sie sich aufregte: «Schlaf eine Nacht drüber. Morgen ist die Geschichte nur noch halb so unheimlich.» Mit diesem Satz hatte er meistens Recht behalten. Aber er war – im Gegensatz zu Wencke – auch sachlich genug, sich an solche Faustregeln zu halten. Sie war heilfroh, ungestört an einem Brötchen mit Himbeermarmelade zu kauen.
    Die Kneipp’schen Güsse waren heute Morgen nur noch halb so schlimm gewesen. Bis zu ihrem nächsten Termin bei Ilja Vilhelm hatte sie noch einen halben Vormittag Zeit. Zum Zeitvertreib stand kreatives Gestalten auf dem Programm. Weihnachtliches Basteln mit Salzteig und Serviettentechnik. Vor Wencke lag also ein unspektakulärer Tag. Sie wusste nicht so recht, ob sie ihn fürchten oder sich auf ihn freuen sollte.
    Der angekündigte Schnee war noch nicht gefallen, draußen vor dem Fenster standen die kahlen Bäume auf nassem Grund, und es war so ein Nichtswetter, grau und miesepeterig, nicht wirklich warm, aber auch nicht wirklich kalt. Es war, als wäre dem Wetterfrosch die Lust ausgegangen, und er hing nun unentschieden zwischen Sonne und Regen fest.
    Wencke trank noch eine weitere Tasse Kräutertee gegen Wassereinlagerungen und blickte in den Park hinter der Fensterscheibe. Es blieben so viele Möglichkeiten, wie sie die nächsten Stunden verbringen könnte. Es gab Fahrräder im Kurheim, sie könnte also Bad Meinberg und Umgebung erkunden. Vielleichtwar es eine gute Idee, sich mal ein Buch zu kaufen, möglicherweise einen Krimi. Gab es eigentlich einen Krimi, der in Bad Meinberg spielte? Und dann könnte sie in einem der im Kurort üblichen Tortencafés bei einem ordentlichen Cappuccino darin schmökern. Wann hatte sie so etwas das letzte Mal gemacht? Und wann würde sie in Zukunft dazu kommen? Mit Baby hatte sie sicher überhaupt keine Minute mehr übrig. Auf dem kopierten Blatt, welches ihr die Kurleitung auf den Frühstückstisch gelegt hatte, wurde ein Nachmittagsausflug nach Detmold zum Hermannsdenkmal angeboten. Zum Mittagessen erwarteten sie heute Fleischklopse Königsberger Art oder vegetarische Bratlinge mit Quark. Je mehr sich Wencke mit den Möglichkeiten des Tages beschäftigte, desto mehr sah sie die Tristesse auf sich zukommen. Und dann dieser Kräutertee. Das war nicht ihr Leben. Das war nicht Wencke.
    Sie dachte an Aurich, an Axel Sanders und den harten Alltag im Polizeirevier und seufzte tief.
    «Du?» Ein spitzes Etwas bohrte sich in ihre Schulter, tippte eindringlich darauf herum, sodass es fast wehtat. «Du?»
    Wencke löste ihren Blick vom Wintertag draußen. Es war Mattis, er stand im Schlafanzug vor ihrem Tisch, die borstigen Haare zu einem schrägen Irokesenschnitt zerlegen, Schlafabdrücke im dicken Kindergesicht.
    «Was ist?»
    «Du?», sagte er wieder nur, pikte ihr noch einmal in den Oberarm und rieb sich dann mit den Händen über die Beine seiner Schlafanzughose, als müsse er etwas Schmieriges daran abwischen.
    «Mattis, was ist los?»
    «Meine Mama ist weg.»
    «Du bist ja noch gar nicht angezogen. Fängt denn der Unterricht nicht bald an?» Wencke blickte, während sie sprach, auf die Uhr. Es war bereits halb neun.
    «Ja, aber meine Mama ist doch nicht da.» Er holte tief Luft, als hätte er neben dem Waschen und Kämmen bislang auch das Einatmen verpennt. «Die ist einfach nicht da.»
    «Setz dich erst mal», sagte Wencke und klopfte auf den Stuhl, auf dem Mattis normalerweise Platz nahm. «Und dann überleg mal ganz genau. Deine Mutter geht doch nicht einfach so weg, ohne ein Wort. Bestimmt hat sie dir gestern gesagt, wo sie ist, und du hast es nur vergessen.»
    «Nein, hab ich nicht», kam es etwas beleidigt. Mattis griff wie instinktiv nach einer Scheibe Kochschinken, die noch nicht den Weg auf Wenckes Frühstücksteller gefunden hatte.
    «Vielleicht hat

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