Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
einer der Ersten, heute war es anders. Außer ihm und Konrad saßen nur noch die Skatbrüder in der Ecke. Ihr Spiel lief wie inZeitlupe. Contra und Re in verzögertem Tempo, wie alles ringsherum, wie die Wirtin, die das Bier irrsinnig mühsam zapfte, wie der Spielautomat an der Wand, der schläfrig blinkte und halbherzig zum Zocken einlud. Wenn Stefan jetzt nicht aufstand und ging, würde er hier auf dem Barhocker festwachsen, so viel war sicher.
    Konrad schob seine Oberarme über die Theke und legte den Kopf darauf. «Das tut schon weh, wenn man einen Bruder verliert und dann noch den eigenen Neffen vorenthalten bekommt. So viele Jahre, was hat die Schlampe sich nur dabei gedacht? So was kann man nicht machen, echt.»
    «Lass mal gut sein. Janina war so ’n junges Mädchen   …»
    «Aber zum Rummachen war sie alt genug. Und zum Autofahren anscheinend auch. Aber dann die Verantwortung übernehmen, nee, da war sie wieder eine kleine Göre   …» Konrad war ein guter Freund von Ulrich gewesen, vielleicht einer der besten. Sie hatten damals nicht viel über die Sache gesprochen. Im Grunde war es erst jetzt auf den Tisch gekommen, nach elf Jahren, hier im Lindenhof am Mittwochabend. Da hatten viele zum ersten Mal darüber gesprochen, wie schlimm es gewesen war. Und dass sie geheult hatten um Ulrich. «Weiß deine Mutter, dass sie da ist?»
    «Die Janina Grottenhauer?»
    Konrad nickte, den Kopf immer noch auf dem Tresen.
    «Werde ich ihr besser nicht sagen.» Stefan Brampeters Mutter war seit drei Jahren Witwe und jammerte den ganzen Tag, dass sie nichts mehr zu tun hatte. Keinen bettlägerigen Mann mehr im Haus. Ein Sohn unter der Erde, der andere ein Einsiedler ohne Familiensinn. Und keine Gäste mehr, seit Jahren schon, kein Mensch verirrte sich mehr in die kleine Ferienwohnung unter dem Dach, warum auch, wo Bad Meinberg doch wie ausgestorben war. Sicher hatte seine Mutter gute Gründe zu jammern. Doch wenn er sie nun besuchen würde,am Wochenende vielleicht, und wenn er ihr dann von der Begegnung mit dem Jungen erzählte, dann könnte die Wehleidigkeit in tiefe Depression umschlagen. Der verlorene Enkel. Der Grund, noch tiefer zu seufzen. Es war besser, er behielt es für sich. Und er hoffte, dass seine Mutter nicht entgegen ihrer gewohnten Trägheit auf einmal das Haus verlassen würde. Denn täte sie einen Schritt auf die Straße, würde ihr die Geschichte schon entgegenwehen wie ein Haufen ansteckender Grippeviren. Haste schon gehört und so. Vielleicht sollte er vorsichtshalber ein paar Einkäufe erledigen und sie ihr bis zum Küchentisch bringen, damit sie nicht versehentlich zum Edeka marschierte.
    «Aber dass du das so tapfer hingekriegt hast, Stefan, alle Achtung!»
    Konrad meinte den Nachmittag. Alle
Wacholderteufel
hatten gestaunt, als er ihnen von der Begegnung berichtet hatte, bei der er sich nichts hatte anmerken lassen. Niemand hatte es für möglich gehalten, dass er so einfach mit den Kindern über das Theaterstück gesprochen hatte, als sei nichts geschehen.
    «Und dann noch den Kleinen ein Teufelskind spielen lassen, du hast Nerven.»
    «Ich war ja dank des Anrufes ein bisschen darauf vorbereitet», nuschelte Stefan. «Nur von dem Kind hab ich nichts gewusst. Zugegeben, das war hart.» Er seufzte.
    Als die Wirtin noch zwei Veltins auf den Tresen schob, schüttelten Stefan Brampeter und Konrad Gärtner unisono die Köpfe. Genug war genug. Beide klemmten einen Schein unter den Bierdeckel. Sie hatten die Preise im Lindenhof verinnerlicht und konnten die Zeche in jedem Zustand noch einigermaßen zusammenrechnen.
    «Und du konntest dir bestimmt nicht vorstellen, dass der Junge jetzt schon so groß ist, oder?»
    «Nee, da haste Recht.» Stefan Brampeter stand auf. Sein Beinwar eingeschlafen und hielt dem Gewicht nicht ganz stand. Er kippte leicht zur Seite, bevor er sich fing und Richtung Garderobe schlich.
    «Und dafür hast du dich – alle Achtung – gut geschlagen!», sagte Konrad und schob umständlich den einen Arm in die Jacke. «Was machste jetzt?»
    «Nach Hause gehen. Was sonst.» 
    «Oder woll’n wir noch mit der Taxe Richtung Detmold, du weißt schon, das Haus mit dem großen Parkplatz und der rot beleuchteten Hausnummer   …»
    «Nee, Konrad, ohne mich. Und du solltest auch besser bei deiner Frau unter die Decke   …»
    «Spielverderber   …»
    Sie hielten sich gegenseitig fest und fanden die Tür nach draußen.
    Die Stufen, die zum Bürgersteig hinunterführten, funktionierten

Weitere Kostenlose Bücher