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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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dann wende dich an die Wencke, weil die bei der Polizei arbeitet.»
    Wencke schreckte zurück. Sofort kam ihr wieder der Zeitungsartikel in den Sinn und die beunruhigenden Bemerkungen, die Nina daraufhin geäußert hatte. «Sie hat gesagt: Wenn irgendwas passiert?»
    Mattis spuckte beim «Ja» ein paar Krumen über den Tisch.
    «Aber was könnte sie damit gemeint haben? Weißt du was darüber? Hatte sie Angst oder so?»
    «Meine Mutter hat ständig Angst. Aber seit die Teufel da waren, ist es ganz schlimm gewesen. Vielleicht hast du das nicht so gemerkt, aber ich kenne meine Mama wirklich gut. Und als nachts die Teufel da waren, hat sie auch gesagt, dass ich mich an dich wenden soll. Ich habe gedacht, es ist wieder einer ihrer Ticks, aber jetzt ist sie ja wirklich weg. Und da habe ich mich eben an dich gewandt. Schlimm?»
    Wenckes Hand wanderte automatisch Richtung Struwwelhaar, und sie hätte ihm fast über den Scheitel gestreichelt, dann erinnerte sie sich an Mattis unglückliches Gesicht, als seine Mutter die gleiche Geste gemacht hatte, und ließ es bleiben, beschränkte es auf ein: «Das hast du genau richtig gemacht.»
    Er freute sich sichtlich über das Lob.
    «Aber ich habe nicht viel Ahnung von großen Jungs, wie du einer bist. Ich hoffe, du kannst dich erst einmal alleine waschen und anziehen. Und wenn deine Mutter bis dahin nicht aufgetaucht ist, gehen wir zur Kurleitung und fragen nach.»
    «Dann erst?»
    «Ich bin bei der Polizei. Ich weiß, dass Vermisste oft nach kurzer Zeit wieder auftauchen und die ganze Sorge meist nur auf einem Missverständnis beruht. Also machst du dich jetzt erst salonfähig, und dann sehen wir weiter, okay?»
    «Ja, okay!»
    «Also hopp, und vergiss deine Schultasche nicht», sagte Wencke und scheuchte den Jungen mit dem Kakao-Marmeladen-Bart Richtung Treppenhaus. Er trottete los, sichtlichberuhigt. Sie war sich unsicher im Umgang mit diesem Kind. Wenn er auch noch so liebenswert und leicht tollpatschig wirkte, sie hatte keinerlei Erfahrung mit Jungen in seinem Alter. Zum Glück war es ihr allem Anschein nach gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen. Und er schien keine wirkliche Angst um seine Mutter zu haben.
    Da hatte Mattis ihr etwas voraus. Wencke trank die letzte verordnete Tasse Tee und stellte anschließend das Geschirr auf dem Tisch zusammen. Sie dachte an den Zeitungsausschnitt, sie dachte an das gestrige Gespräch mit Nina Pelikan, in dem es um Selbstmord und Ängste gegangen war. Im Gegensatz zu Mattis war Wencke höchst beunruhigt. Und sie war nun froh, gestern so intuitiv die zwei Sachen – den Pappbecher und den Artikel – an Axel Sanders geschickt zu haben. Sie ahnte, dass sie die Informationen, die ihr Kollege hoffentlich bald für sie bereithielt, gut gebrauchen könnte. Diese Ahnungen, diese Handlungen aus einem Bauchgefühl heraus, waren schon immer Wenckes ganz spezielle Eigenart gewesen. Die Erfolgsquote ihrer Intuition lag bei einem ernüchternden knappen Drittel. Oft genug hatten Kollegen – allen voran Axel Sanders – ihr geraten, nicht allzu gefühlsduselig vorzugehen, und mindestens genauso oft hatte Wencke es sich auch fest vorgenommen. Doch wenn ihr diese innere Stimme etwas zuflüsterte, so konnte sie nicht anders, als entsprechend zu handeln. In ihrem Job war das gefährlich. Aber warum in aller Welt sollte diese Ahnung hier in Bad Meinberg einen Schaden anrichten? Entweder irrte sie sich und es gab eine harmlose Erklärung für Nina Pelikans Verschwinden, oder sie lag nicht falsch mit ihren nebulösen Vermutungen und war dann bereits den ersten Schritt in die richtige Richtung unterwegs.
    Wencke verließ den Speisesaal und ging zur Rezeption, an der Mattis bereits mit Ranzen bepackt auf sie wartete. Er trug eindeutig die Kleidung vom Vortag, ein Ketchupfleck, beidessen Entstehung Wencke beim gestrigen Abendessen Augenzeugin gewesen war, prangte wie ein Orden auf seiner Brust. Das Haar hatte nicht wirklich Kontakt mit einer Bürste gehabt. Du großer Held, dachte Wencke, sagte aber nichts. Stattdessen wandte sie sich an die Dame hinter dem Tresen.
    «Könnte ich Frau Meyer zu Jöllenbeck sprechen?»
    Die Frau griff zum Telefonhörer und fragte nach, dann wies sie mit freundlichem Nicken zur seitlichen Tür, auf der das Schild «Direktion» angebracht war. Wencke klopfte und trat, gefolgt von Mattis, nach dem «Herein» in das Büro.
    Viktoria Meyer zu Jöllenbeck war wieder wie aus dem Ei gepellt, diesmal in sahnigem Rosé. Sie blickte von ihrem

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