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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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abgebrannt. Anschließend würden vier Pferde seinen Körper auseinanderreißen.«
    »O mein Gott«, sagte Alexandra mit belegter Stimme. »Hast du das mit ansehen müssen?«
    An jenem Tag in Paris zeigte sich, dass die Wahl des Gemaches ausgezeichnet war. Die Fenster erlaubten nicht nur einen unverstellten Blick auf das Schafott, sondern ließen auch den Schall in den Raum dringen, etwas dünn vielleicht, aber hervorragend verständlich. Heinrich konnte das Gebet vernehmen, mit dem Ravaillac sich den Henkern übergab, und das Salve, Regina , das einer der Priester anzustimmen versuchte, bevor das Volk ihn niederbrüllte. Kein Gebet für den Verdammten! Zur Hölle mit dem Judas!
    Dann begann die Arbeit der rot glühenden Zangen. Sie rissen die Brustwarzen und das Fleisch an Armen, Schenkeln und Waden heraus. Die Geräusche, die der Verurteilte machte, waren klar zu vernehmen, ebenso das Aufseufzen der Menge bei jeder Tat. Heinrich fühlte sich plötzlich verbunden mit Ravaillac, fühlte nicht seinen Schmerz, aber das Vibrieren seiner Nerven, fühlte nicht seine Qual, aber das Dröhnen des mächtigen Urgefühls, das die Qual im Körper des Mannes auf dem Schafott auslöste, hatte das Gefühl, Verurteilter und Henker zugleich zu sein, auf eine entrückte Art zu spüren, wie sich die glühenden Backen der Zangen ins Fleisch wühlten, und derjenige zu sein, der die Instrumente bediente.
    Und all dies, während Madame de Guise vor ihm auf den Knien lag und ihr Gesicht an den Schlitz seiner aufgeknöpften Hose gepresst hatte. Er hatte diese Mischung aus Lust und stellvertretend empfundenem Grauen noch niemals zuvor wahrgenommen. Sie erfüllte ihn mit einem Schauer, den er kaum jemals zuvor so mächtig erlebt hatte, und es schoss aus ihm heraus, noch bevor er einen Ton sagen oder sich zurückziehen konnte. Falls Madame de Guise damit nicht einverstanden war, dann ließ sie es mit keinem Wimperzucken erkennen.
    »Ich konnte dem nicht ausweichen«, sagte Heinrich zu Alexandra. »Ich wäre als Feigling dagestanden. Ein Dutzend Menschen war um mich herum, die Herren de Guise, ihreFrauen und Töchter …« Er merkte, dass seine Stimme zitterte. Er verfluchte sich dafür, bis ihm klar wurde, dass Alexandra nicht erkannte, dass die Erinnerung an diesen ersten Erguss des Tages seine Stimme beben ließ und nicht die Empörung über das barbarische Schauspiel, das er angeblich gezwungen gewesen war zu beobachten.
    »Ich halte dich nicht für jemanden, dem das Vergnügen bereitet hat«, sagte Alexandra.
    Der Henker hielt Ravaillacs Rechte über ein Feuerbecken und verbrannte Fleisch und Knochen, immer wieder neuen Schwefel nachgießend. Die Gebete aller Sünder in der Hölle wurden nicht so herausgebrüllt wie die Bitten Ravaillacs an Gott, ihm zu vergeben. Mademoiselle de Guise lehnte sich auf die Fensterbrüstung und schlug den Rock über ihre Hinterbacken hoch. Sie warf Heinrich einen glühenden Blick zu, und er und der französische Edelmann tauschten wortlos. Mademoiselle de Guise bemerkte indigniert, dass ein unangenehmer Geruch aus der Richtung des Platzes bemerkbar würde, dann fing sie zu stöhnen an. Während der Henker den vollkommen verschmorten Körperteil vom Armstumpf abschlug und weiteres Pech und kochendes Öl in die Wunde goss, wechselten der Franzose und Heinrich mehrfach, und Mademoiselle de Guise begann zum wiederholten Mal, zu bocken und kleine Schreie auszustoßen.
    »Er wurde nicht ohnmächtig«, sagte Heinrich zu Alexandra. »Was immer sie ihm auch antaten, der Kerl wurde nicht ohnmächtig.«
    »War es dann endlich vorbei?«
    »Ja«, log er. »Die Pferde wurden angetrieben und rissen ihn auseinander. Ich konnte endlich nach Hause gehen.«
    »Gott sei seiner armen Seele gnädig.«
    Die Damen verlangten eine Stärkung. Ein Pastetenbäcker, der durch die Menge strich, wurde gerufen, und er postierte sich folgsam unter den Fenstern. Heinrich ging hinaus. DerPastetenbäcker teilte ihm mit, dass die Pferde es nicht vermochten, den Leib des Verurteilten zu zerreißen; sie versuchten es schon bald eine halbe Stunde lang. Wie im Traum kämpfte sich Heinrich zu dem Kordon Berittener durch, die das Schafott absperrten, erlebte mit, wie einer der herumstehenden Edelmänner plötzlich einsprang, eines der blutig geschlagenen Pferde losschirrte und sein eigenes einspannte. Das Ziehen begann von Neuem, die Henkersknechte wechselten einen Blick, dann stellten sie sich um den an den gespannten Ketten hin- und hergezogenen

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