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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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war, sie nicht anzusehen. Sie zog ihr Mieder hoch, dann warf sie den Kopf zurück und richtete sich auf. Sie wunderte sich, dass die Bewegung sein Gesicht aufleuchten ließ; sie ahnte nicht, dass es die Geste einer Königin gewesen war.
    »Schicken Sie sie weg«, sagte sie.
    Der Befehl war nicht nötig: Sie hörte das Kleiderrascheln und das verlegene Hüsteln, mit dem die Zuschauer sich zurückzogen. Langsam drehte sie sich um. Sebastian Wilfing versuchte, mit schwachen Arm- und Beinbewegungen vom Bett in die Höhe zu kommen. Ein letzter Rest von glühendem Zorn gab ihren Beinen den Befehl, loszurennen und sich erneut auf ihn zu stürzen, doch die Beine gehorchten nicht. Sie spürte die plötzliche Schwäche, die an ihr heraufzukriechen begann. Ich muss stehen bleiben, dachte sie unzusammenhängend. Wenn ich ohnmächtig werde, ist es, als hätte er gewonnen.
    »Du verkommenes, mieses, versautes Dreckstück …«, stöhnte Sebastian und kämpfte weiter gegen Bettdecke und Bettvorhang an.
    Andrej war mit zwei Schritten bei ihm und zog ihn auf die Beine. Sebastians Hände fuhren abwehrend nach oben. Die Kordel lag immer noch um seinen Hals, locker nun. Das Zopfmuster hatte sich in seine Haut geprägt.
    »Ich begleite dich nach unten«, sagte Andrej. Er drehte ihn herum und bog ihm einen Arm auf den Rücken. Sebastian schrie auf und beugte sich nach vorn. Andrejs andere Hand war in seinem Haar. Sebastian stöhnte. Andrejs Stimme war fast ruhig, doch sein Gesicht war dunkelrot. »Auf geht’s!«
    Er zerrte Sebastian mit sich auf den Gang hinaus, die Treppe hinunter. Sebastian schrie wie am Spieß. Das Gesinde und die Besatzung des Kontors hatten sich auf der Treppe versammelt. Sie machten eine Gasse frei. Agnes stellte fest, dass sie den beiden Männern gefolgt war; der Oberbuchhalter flatterte um sie herum wie eine Glucke. Jeder Schritt brannte wie Feuer in ihrem Schoß, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie durchquerten das Kontor und gingen hinaus auf die Gasse. Ein paar Passanten blieben überrascht stehen.
    Andrej ließ Sebastians Haar los, wirbelte ihn am Arm herum und gab ihm dann einen Stoß vor die Brust. Sebastian setzte sich auf den Hosenboden, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. Andrej holte Luft.
    »Hilfe!«, schrie Sebastian. Er zeigte auf Andrej und Agnes. »Hilfe! Man hat mich angegriffen. Ich habe einen Betrug an der böhmischen Krone aufgedeckt, und diese beiden haben mich angegriffen!«
    Sebastians Blicke waren nicht dorthin gerichtet, wohin sein anklagender Finger zeigte, sondern zu einer kleinen Schar Stadtwachen, die in der Nähe des Eingangs aufmarschiertwar. In ihrer Mitte stand ein Mann, den Agnes einmal gesehen hatte, aber sie erkannte ihn sofort wieder: Vilém Vlach, der ehemalige Partner aus Mähren, der zu ihrem Feind geworden war. Man brauchte keine Phantasie, um sich auszumalen, wie die Wachen das Bild aufnahmen, das sich ihnen bot: Sebastian auf dem Boden sitzend, zerzaust, zerkratzt, blutig geschlagen, Andrej über ihm stehend mit geballten Fäusten.
    Die Wachen richteten die Spieße auf Andrej. »Sie sind verhaftet«, sagte der Wachführer.
    5
    »Wann?«, fragte Alexandra.
    »Bald«, sagte Heinrich.
    »Worauf warten wir noch?«
    Worauf wartete Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz noch? Er wusste es selbst nicht. Alles, was er wusste, war, dass er jedes Mal, wenn er an die gemeinsame Flucht dachte (für sie war es eine Flucht, für ihn nur eine mit Tücke vorbereitete Reise an das endgültige Ziel seiner Träume, die sich mit ihrem Antritt unweigerlich entfalten mussten), das unüberwindliche Bedürfnis verspürte, sie zu verschieben. Ausreden gab es genug, und tatsächlich spielte die Zeit ihm in die Hände, denn die Zustände im Haus Khlesl waren so unerträglich geworden, dass Alexandra alles getan hätte, um ihnen zu entkommen.
    »Du hast gesagt, wir wären beide in Pernstein willkommen.«
    »Das sind wir auch. Mir geht es um die Reise an sich. Du weißt selbst, wie sehr sich die Situation im Reich zugespitzt hat. Niemand wird sich darum kümmern, wenn wir überfallen werden.«
    »An deiner Seite fürchte ich nichts.«
    Heinrich erinnerte sich rechtzeitig daran, ein gequältes Gesicht zu ziehen und so zu tun, als sei die Wunde, deren Ernsthaftigkeit er so vortrefflich übertrieben hatte, noch immer nicht vollständig verheilt. Sie räusperte sich verlegen.
    »Meine Mutter ist täglich im Gefängnis und versucht, die Wärter zu bestechen, damit sie Onkel Andrej besuchen darf. Er

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