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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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gekommen. Es war nichts als eine weitere Demonstration der Macht. Filippo hatte es in der Hand, Alarm zu schlagen und die Pläne zu verraten, die in Pernstein geschmiedet worden waren. Er hatte die Macht, den Ständevertretern die Augen zu öffnen und ihnen zu verraten, wer es wirklich war, der sie in den Krieg treiben wollte. Er hatte plötzlich die Freiheit, alles hinter sich zu lassen und einfach wegzugehen. Niemand würde ihn aufhalten können.
    Und er wusste, dass er nichts davon tun würde. So wie sie gewusst hatte, dass er sie nicht verraten würde. Sie war überzeugt, dass er bereits vollständig unter dem Bann der Teufelsbibel stand.
    Vielleicht war es diese unausgesprochene Überzeugung, die etwas in ihm aufgeweckt hatte. Vielleicht war es das Stück von Vittoria, das in ihm weiterlebte, so wie alle Menschen ein klein wenig in denen weiterleben, die sie geliebt haben.
    Er war ein Mann allein. Er hatte weder die Kraft noch die Macht, sich gegen den Teufel und seine Anhänger zu stellen, aber er konnte … – was?
    Beobachten?
    Hoffen, dass sich doch irgendwann eine Möglichkeit ergab, einzugreifen?
    Und wie einzugreifen?
    Die Frage hatte dafür gesorgt, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Er war in den Palast des Reichskanzlers zurückgekehrt, nachdem seine Lauschertätigkeit von Erfolg gekrönt gewesen war, und hatte vereinbarungsgemäß eine Brieftaube nach Pernstein abgeschickt. Dann hatte er zuAbend gegessen, versucht, an einem Krug Wein Gefallen zu finden, und war schließlich zu Bett gegangen. Seitdem hatte er kein Auge zugetan.
    Das erste graue Licht war bereits in sein Zimmer gekrochen. Das Fenster des Raums lag nach Osten, die Sonne ging unmittelbar davor auf. An der Wand über der Tür schien etwas zu leuchten. Es war ein Kreuz. Es sah aus, als hätte ein Finger es dort hingezeichnet, mit schwachem, aus sich heraus leuchtendem Licht. Filippo seufzte. Es war nichts weiter als der Abdruck, den das Kruzifix hinterlassen hatte, das dort gehangen hatte. Nachdem er sich stundenlang schlaflos hin- und hergewälzt hatte, hatte er es abgenommen und auf den Boden gelegt, in der Hoffnung, dann Schlaf zu finden. Er sah es neben der Tür liegen, als sei es von allein herabgefallen. Der Anblick sandte plötzlich Furcht in sein Herz. Vittoria hatte immer gesagt, dass, wenn ein Kruzifix von der Wand fiel, es von der Erschütterung kam, den der Schritt des Todes verursachte, der das Haus betrat.
    Als die Sünde die Welt zu überwältigen drohte, schickte Gott der Herr seinen einzigen Sohn, um ihr entgegenzutreten.
    Jesus Christus war ein Mann allein gewesen. Er hatte eingegriffen. Sein Eingreifen hatte darin bestanden, sich ans Kreuz nageln zu lassen. Es hatte den Kampf gegen das Böse nicht entschieden, aber es hatte dafür gesorgt, dass er fortgeführt wurde. Solange auch nur ein Mensch gegen das Böse kämpfte, war die Welt nicht verloren.
    Filippo musterte das Kruzifix auf dem Boden. Er fühlte abgrundtiefe Angst.
    Domine, quo vadis?
    Tränen brannten in seinen Augen, als er an Vittoria dachte. Warum hast du mich verlassen?, stöhnte er in Gedanken. Ich habe dich nicht verlassen, antwortete der Teil von ihr, der in ihm weiterlebte. Ich werde bei dir sein, bis wir in einer anderen Welt wieder eins sind.
    Filippo schwang die Beine aus dem Bett, humpelte über die kalten Dielenbretter zu dem Kruzifix und hängte es wieder auf. Er hatte beinahe erwartet, dass es seine Hand verbrennen würde, aber es war nur ein hölzernes Kreuz mit einer aufrecht gekreuzigten Christusfigur daran. Er legte sich zurück auf das Bett und starrte es an. Der geschnitzte Christus starrte zurück. Filippo wünschte sich, noch einmal, nur ein einziges Mal, mit Vittoria reden zu können. Die Tränen liefen über seine Wangen. Er schloss die Lider, doch in der Dunkelheit seiner eigenen Gedanken leuchtete das Kreuz, als wäre es aus Feuer.
    14
    Manchmal konnte sie den Albträumen bei Tag für eine Weile entkommen. Bei Nacht war es hoffnungslos.
    Sie sah sich wieder als kleines Mädchen auf der hölzernen Brücke zwischen dem Hauptbau und dem Bergfried stehen. Hier wehte beständig der Wind, und man hatte das Gefühl zu fallen, obwohl man sicher stand.
    »Das ist der Wind, den der Teufel hier angebunden hat«, hatte ihr Vater gesagt und gegrinst. »Er hat vergessen, ihn loszubinden.«
    »Warum hat er ihn hier angebunden?«, hatte sie die Stimme gehört, die ihre war und der sie meistens nur hilflos lauschen und sich fragen

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