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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Heinrich stand vor Entsetzen gelähmt da. Er sah den Oberteil des weißen Gewandes, das wie von Blut gerötet war, ihr Haar, das dunkel und nass vom Wein herabhing, die schlanken weißen Hände, die sich um ihr Gesicht klammerten und zuckten, zwei bleiche, panische Spinnen. Er hörte, wie Filippo keuchte. Polyxenas Kreischen ging plötzlich in ein raues, tiefes Geräusch über, ein unartikuliertes, tierisches Stöhnen wie von jemandem, der lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrennt. Sie fiel auf die Knie und wand sich in unsichtbaren Flammen. Heinrich ließ den Krug fallen und stieß Alexandra beiseite. Er fragte nicht, was sie gesehen hatte. Er fragte nicht einmal sich selbst, was er gesehen zu haben glaubte, bevor der Inhalt des Weinglases ihn blind gemacht hatte. Er stürzte zu der zuckenden Gestalt, brach neben ihr auf die Knie und zog ihr die Hände vom Gesicht.
    Er hörte, wie ihr Stöhnen erneut in das Kreischen einer Wahnsinnigen überging.
    Er hörte Filippo ächzen: »Heilige Maria, Mutter Gottes!«
    Er hörte, wie Alexandras Schreie aus schierem Entsetzen abbrachen.
    Er hörte das alles und hörte es doch nicht. Er starrte in das Gesicht Dianas, das Gesicht Polyxenas, das Gesicht seiner Herrin, das Gesicht der Frau, die in jeder Faser seines Körpers steckte und für die er die ganze Welt umgebracht hätte, wenn sie es verlangte.
    Er starrte in die unmaskierte Fratze des Teufels.
    16
    Ihr Gesichtsschnitt, die Haut , der Schwung der Brauen, die Form der Lider, die Nase, die Lippen – sie war die personifizierte Schönheit. Etwas hatte sie jung erhalten, hatte verhindert, dass sie wie eine Frau aussah, die ein halbes Jahrhundert alt war, hatte ihre Schönheit erhalten – genauso wie das abstoßende Mal auf ihrer linken Gesichtshälfte. Heinrich erinnerte sich an die Schatten, die er unter der Schminke zu sehen geglaubt hatte. Nun präsentierten sie sich ihm ohne Maske.
    Es war ein flammend rotes, auf den Kopf gestelltes Dreieck, das sich von ihrer Nase über den perfekten Schwung ihrer Wange bis zu ihrem Kinnbogen hinunterzog. Die Farbgebung war nicht einheitlich. Es gab hellere Flecken und Risse darin, und die Ausläufer des Mals auf der Stirn sahen aus, als wäre Blut zwischen ihre Brauen und über ihre Schläfe geronnen. Ihre Wange zuckte, und das Mal verzog sich und bekam aufs Neue die Gestalt, die ihm zuvor den Atem genommen hatte: das grinsende, entstellte Wolfsgesicht des Teufels.
    Er stierte sie an, sein Kopf ein einziger Mahlstrom, in dem die Frage trudelte, ob all die Gelegenheiten, an denen er sie in Prag ungeschminkt gesehen hatte, nur Träume gewesen waren.
    »Sie sind Kassandra von Pernstein«, sagte Alexandra plötzlich. »Das Mädchen, von dem Sie sagten, es sei tot. Sie sind das Mädchen, in dessen Zimmer ich geschlafen habe, das Mädchen, das seine Umgebung in eine subtile Hölle verwandelt hat, in der jeder andere Mensch sich unsicher und vollkommen verloren fühlen muss. Sie sind Polyxenas Zwillingsschwester – aufs Haar ihr Ebenbild, bis auf das Teufelsmal in Ihrem Gesicht. Es gibt viele Menschen mit einem solchen Mal, aber Sie sind die Einzige, bei der es aussieht wie das Abbild des Satans. Sie sind das Kind auf den Bildern, dessenlinke Gesichtshälfte zerfetzt ist. Das war Ihr Werk. Polyxena war das Modell für die Artemis-Statue, doch Sie haben ihr Gesicht entstellt, weil Sie immer fühlten, dass die Göttin der Jagd Ihr Symbol war und nicht das Ihrer Schwester. Sie ist Ihre Fassade in Prag, sie ist Ihr Werkzeug. Und doch wünschen Sie nichts so sehr, als so zu sein wie Sie. Sie leben sogar in ihrem alten Zimmer und haben Ihren eigenen Raum jahrelang nicht betreten.«
    Heinrich hatte noch niemals erlebt, dass Diana ihre Beherrschung verloren hätte. Er sah es nun voller Entsetzen geschehen. Die Teufelsfratze auf ihrer Wange zuckte und verzerrte sich.
    »Halt’s Maul, du dummes Stück!«, zischte sie.
    Alexandra ließ sich nicht beirren. »Ich wette, dass nicht einmal der Reichskanzler weiß, dass es Sie gibt. Was haben Sie Ihrer Schwester angetan, dass sie Ihr willenloses Werkzeug geworden ist?«
    Heinrich hatte plötzlich eine Vision. Sie ließ ihn erschauern. Es war eine Erinnerung. Er sah sich selbst, einen Jungen von acht Jahren, wie er an einem der im Sommer zuweilen austrocknenden Brunnenschächte auf dem Dorfplatz stand und hinunterspähte. Er schien endlos. Die anderen Jungen hatten ihm bereitwillig Platz gemacht – er war der Sohn des Grundherrn. Die allgemeine Frage

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