Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Übrigen ist tatsächlich eines der Gläser für Filippo Caffarelli gedacht.«
»Der noch keine einzige Zeile der Teufelsbibel für Sie entschlüsselt hat!« Er hörte seinen nörgeligen Ton und wusste, noch bevor er Alexandras verächtliches Schnauben hörte, dass er Polyxena auf den Leim gegangen war. Es gelang ihr mit solcher Leichtigkeit …
»Entschuldigen Sie«, sagte sie zu seiner Überraschung. »Das war billig.« Sie blickte ihm in die Augen. Hitze loderte in ihm auf, als er sah, wie ihre Zungenspitze zwischen ihren Lippen hervorkam, als sei sie sich dessen gar nicht bewusst. Sie hatte ihn auf die Probe gestellt? Ihn, ihren Partner? Ja, dachte er nun, aber nur, weil ihre Einzigartigkeit es ihr erlaubt zu prüfen, wer ihrer würdig ist. Mene mene tekel … gewogen und für zu leicht befunden! Aber er hatte noch einen Trumpf in der Hinterhand, der ihr zeigen würde, wie würdig er ihrer tatsächlich war. Und sie würde diesen Beweis willkommen heißen, weil sie in Wahrheit so heiß auf ihn war, dass ihrekleinen Körperregungen sie verrieten. Die Zungenspitze, die über ihre Lippen tanzte und danach hungerte, von seiner Zunge begrüßt zu werden! Und dann las er den Ausdruck in ihren Augen genauer und wusste, sie hatte erneut ihr Spiel mit ihm getrieben.
»Richtig«, sagte sie. »Ich habe den Schlüssel nämlich seit Langem entdeckt. Er ist nicht auf einer der Seiten in dem Buch. Er ist in denen, die sich danach verzehren, die Teufelsbibel zu besitzen. Wollen Sie wissen, wie er heißt? Verführung, mein Freund Henyk, Verführung. Und Verführung ist etwas, das nur geschieht, weil die Menschen sich verführen lassen. Als Adam und Eva von der Schlange die Früchte des Baums der Erkenntnis angeboten bekamen, kam die Teufelsbibel in die Welt. Dachten Sie, es wäre dabei um das Wissen gegangen, das die Früchte dieses Baums vermittelten? Ich dachte es lange Zeit, und alle, die sich vor mir mit der Teufelsbibel beschäftigt haben, dachten ebenso. Dabei ist es so einfach. Es geht nicht um die Erkenntnis, dass die Sonne im Osten aufgeht und im Westen unter oder dass die Welt eine Kugel ist, oder darum, ob die Sonne im Mittelpunkt des Universums steht oder die Erde. Es geht um die Erkenntnis, die die meiste Macht auf Erden verleiht: dass die Menschen jederzeit verführbar sind. Sie sind verführbar, weil sie es selbst zulassen. Sie sind verführbar, weil sie eines stets mit unverrückbarer Überzeugung glauben: dass sie selbst der Mittelpunkt des Universums sind und es keine Verführung ist, die ihnen zustößt, sondern der gerechte Lohn für ihre Einzigartigkeit. Jeder Einzelne ist jederzeit verführbar. Das ist es, was die Teufelsbibel in Wahrheit bedeutet – nicht ein paar wirre Zaubersprüche aus dem Hirn eines verschmachtenden Mönchs. Die Teufelsbibel ist der Gral, mein Freund. Der Gral hat immer diejenigen angezogen, die überzeugt waren, sie allein seien wichtig genug, dass ihnen ein besonderes Geschick auf Erden bestimmt wäre.«
»Nein«, sagte Alexandra unvermittelt. »Sie irren sich. Sie haben Ihr Herz dem Teufel verschrieben, und deshalb haben Sie auch nur dessen begrenzten Horizont. Der Teufel glaubte …«
Polyxena zog eine Augenbraue in die Höhe. »Man könnte sich fast geschmeichelt fühlen, von Freund Henyk begehrt zu werden, wenn das, was ihn beinahe zu Fall gebracht hätte, eine Person von deiner Statur ist, kleines Fräulein Khlesl.«
»Sie hat mich niemals …«, begann Heinrich.
»Der Teufel glaubte dasselbe«, fuhr Alexandra unbeirrbar fort. »Deshalb dachte er, Jesus auf dem Berg verführen zu können. Aber Jesus sagte nur … Was sagte Jesus, Pater Filippo?«
Heinrich fuhr herum. Er hatte nicht gehört, dass der Pfaffe hereingekommen war. Filippo Caffarelli war unnatürlich bleich. Er schwitzte und stierte Alexandra an. Heinrich sah, wie sich seine Lippen bewegten, doch er brachte kein Wort heraus.
»Weiche zurück, Satan«, zitierte Alexandra. »Er hatte den festen Glauben an die Liebe Gottes. Und das machte ihn unverführbar. Sie wissen nicht, was Glauben bedeutet. Der Teufel weiß es auch nicht. Deshalb hat Jesus ihn nur zurückgewiesen, anstatt ihn zu vernichten – weil er Mitleid mit ihm hatte.«
Filippos Augenlider zuckten. Heinrich, der wider Willen beeindruckt war von Alexandra, wandte sich von ihm ab und sah zu Polyxena hinüber. Sie blieb so ruhig, als wäre nichts gesagt worden. Auch dies beeindruckte ihn. Ihm wurde schwindlig beim Gedanken, dass es immer noch
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