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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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gesteckt hatte. Andrej sah mit einem Schock, der durch seinen ganzen Leib ging, wie Wenzel die Augen aufschlug und ihm zuzwinkerte. Dann fasste er blitzschnell nach oben und umklammerte das freie Handgelenk Kassandras. Sie schrie vor Überraschung auf. Wenzel kam auf die Beine und zog sie herum. Unwillkürlich ließ sie Alexandra los, und Andrej hechtete mit dem letzten Rest seines Verstandes vorwärts, fasste nach Alexandras Beinen und brachte sie zu Fall, umarmte sie und rollte sich mit ihr beiseite.
    Wenzel und Kassandra drehten sich in einem schrecklichen Tanz. Er versuchte, ihr die Hand auf den Rücken zu winden, und sie versuchte, ihm die Augen auszukratzen. Der Unterlandkämmerer folgte ihnen mit fassungslosen Blicken. Die Musketenläufe der beiden Soldaten schwenkten herum, aber wenn sie geschossen hätten, hätten sie beide getroffen. Kassandra zischte und fauchte wie ein Tier. Die Schminke in ihrem Gesicht war größtenteils abgewischt, und das Teufelsmal schnitt Fratzen und lachte und fletschte unsichtbare Zähne.
    Kassandras umherfuchtelnde Hand fand den aus Wenzels Körper ragenden Armbrustbolzen und schlug gegen ihn. Wenzel brüllte auf und ließ sie los. Kassandra wirbelte herum. Wenzel krümmte sich zusammen und taumelte. Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie versuchen, ihn über dieBrüstung zu stoßen. Wenzel ging in die Knie. Kassandras Blick flackerte über Andrej und Alexandra, die er immer noch festhielt, als könnte sie davonfliegen, dann zu Dietrichstein und den Soldaten.
    Der Unterlandkämmerer erwachte aus seiner Erstarrung.
    Kassandra warf sich herum.
    »Feuer!«, brüllte Dietrichstein.
    Zwei Schüsse krachten, die weißen Rauchwolken hüllten den hinteren Teil der Brücke ein.
    Wenzel kippte auf die Seite und ächzte: »Verdammter Mist.«
    Andrej sprang auf die Beine, Alexandra mit sich ziehend. Er fühlte fast so etwas wie Bedauern bei dem Gedanken, dass Kassandra tot auf der Brücke lag, das schöne Gesicht zerschmettert, die Smaragdaugen gebrochen – doch die Brücke war leer. Über dem Eingang zum Hauptgebäude fehlte ein Stück Mauerwerk, und einer der Tragpfosten wies ein ausgefranstes Loch auf. Die Soldaten luden hektisch nach.
    »Versager!«, schimpfte Dietrichstein. »Auf diese Entfernung!«
    Vilém Vlach stürzte zu Andrej. »Bist du in Ordnung? Das Mädchen? Wenzel?«
    »Ich weiß es nicht«, stotterte Andrej.
    Dietrichstein winkte den Soldaten. »Wir holen sie uns.« Die drei Männer rannten in das Hauptgebäude hinein.
    Andrej setzte sich neben Wenzel auf den Boden. Wenzel hustete und verzog dann das Gesicht. Er stützte sich auf einen Ellbogen und sah seinen Vater an. Andrej rückte näher an ihn heran und nahm seinen Kopf auf den Schoß. Wenzel ließ sich ächzend zurücksinken. Alexandra kroch auf seine andere Seite, schluchzend und blind vor Tränen. Sie streichelte seine Wange.
    »Alles halb so wild«, stöhnte Wenzel. Er fuhr mit der Hand an den Kragen seiner Jacke und zog sie nach unten. RostigeMetallringe wurden sichtbar. »Ich hab mir ein Kettenhemd aus der Waffenkammer des Turms druntergezogen.«
    Andrej fühlte, wie ihm die Tränen erneut über die Wangen liefen. Wenzel lächelte und tätschelte sein Gesicht.
    »Warst nicht du derjenige, der am eigenen Leib festgestellt hat, dass man Armbrüste nicht aus der Nähe abfeuern soll? Und ich hatte noch das Kettenhemd.« Er schielte zu dem Bolzen. »Nicht dass er nicht doch ein Stück in mir drinstecken würde. Aber das ist harmlos, außer, wenn ich lache.«
    Alexandra schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu weinen. Wenzel hob seine andere Hand und hielt sie fest.
    So hockten sie auf der Brücke, bis Cyprian und Agnes keuchend angelaufen kamen.
    30
    Kassandra rannte.
    Sie hörte ihre Verfolger näher kommen und wusste, sie würden sie einholen. Sie rannte dennoch weiter. Selbst in seiner letzten Sekunde hofft der Mensch noch wider jede Wahrscheinlichkeit, dass er davonkommen wird.
    Doch sie hatte einen Vorteil. Sie hatte eine Zuflucht. Und die Tür dazu kam immer näher.
    Sie riss die Tür zu der Kammer auf, in der sie Alexandra einquartiert hatte. Ihre alte Kammer, die sie als Kind unermüdlich immer wieder umgestellt hatte, bis sie sich darin wie in einer Festung fühlen konnte. Die Dienstboten rückten die Truhen am Morgen an die Wände, und sie rückte sie abends wieder zu einer Burg zusammen. Selbst als Kind wusste sie, dass diese pathetische Abwehr den Teufel nicht davon abhalten würde, zu ihr

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