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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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ins Zimmer zu kommen, aber sie hoffte gegen alle Hoffnung.
    Die Stimme ihres Vaters: »Sie ist die Ältere, aber ich kann sie nicht als Erbin einsetzen.«
    Die Stimme ihrer Mutter, mit schwerem spanischem Akzent: »Sie kann nichts dafür, se–or .«
    Ihr Vater: »Sie hat den Teufel im Gesicht. Ich kann sie nicht mal in ein Kloster geben. Die Nonnen würden schreiend davonlaufen. Das Kind ist eine Katastrophe.«
    Ihre Mutter: » El diablo hat ihr sein Zeichen aufgedrückt, und er wird versuchen, sie zu holen. Ich werde für sie zur Heiligen Jungfrau beten.«
    Ihr Vater: »Beten Sie für uns mit, meine Liebe, sonst zieht sie noch den Namen Pernstein ins Verderben.«
    Ihre Mutter: »Schsch, se–or. Temo que ella nos haya oído!«
    Ihr Vater: »Dann hört sie’s, was soll’s? Sie ist doch noch ein Kind, das nichts versteht.«
    Sie verschloss die Tür. Keuchend lehnte sie sich dagegen. Sie hörte die Männer daran vorbeilaufen. Erleichtert trat sie einen Schritt in den Raum. Sie ballte die Fäuste. Die Erleichterung machte dem Wunsch Platz, sie hätten versucht, hier einzudringen. Sie wollte schlagen, sie wollte kratzen, sie wollte beißen, sie wollte ihnen ihre Wut ins Gesicht schreien und ihnen die Zungen aus den scheinheiligen Mäulern reißen! Sie ließ sich auf das Bett fallen.
    Heinrich hatte alles verdorben. Er war ein so hervorragendes Werkzeug gewesen, und am Ende hatte er alles verdorben! Sie war noch immer fassungslos. Selbst der Teufel schien sie verlassen zu haben. Tatsächlich war nur auf eines ihrer Werkzeuge bis zum Ende Verlass, und ihre Gedanken rasten bereits, wie sie die Situation noch zu ihren Gunsten wenden konnte. Auf sie war immer Verlass gewesen, sie hatte immer nachgegeben, sie hatte sich immer gefügt, zuerst aus idiotischer Liebe, dann aus Mitleid, dann aus Angst. Vielleicht war es möglich, ihre Stelle einzunehmen. Sie musste nur zuerst hier herauskommen und die Dienstboten im Palast in Pragbenachrichtigen, die sie dort eingeschleust hatte und die ihr helfen würden. Ein schneller, heimlicher Mord, während der Ehemann noch auf Reisen war und während ihn dort ein Unfall ereilte …
    Sie zitterte. Es war ein Ausweg. Sie würde nicht einmal ganz von vorne anfangen müssen. Im Gegenteil, sie hätte schon viel früher daran denken sollen! Statt von diesem elenden Felsen mit seinen spinnwebenverseuchten Gängen und seinen faulig gewordenen Erinnerungen aus zu versuchen, ihrer Bestimmung zu folgen, hätte sie ganz oben ansetzen sollen, an der Spitze des Reichs. Sie hatte manipuliert und getrickst – wie dumm von ihr. Sie hätte es gar nicht nötig gehabt. Alles, was geschehen musste, waren ein Mord und ein Unfall auf der Reise. Heinrich wäre der Richtige dafür gewesen, aber Heinrich hatte die Probe nicht bestanden. Sie würde jemand anderen finden, und dann würde sie die Witwe des Reichskanzlers sein, hochgeehrt, mächtig, an beliebigen Fäden ziehend.
    Sie stellte sich vor, wie sie auf die Leiche von Polyxena von Lobkowicz hinabsah, Polyxena, die sie mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt hasste, weil sie ihr Gesicht hatte, aber nicht die Teufelsfratze darin, und wie sie zu Polyxena sagte: »Dein Weg ist hier zu Ende, Kassandra.«
    Sie lächelte. Vage hörte sie den Lärm der Soldaten, die die Burg durchsuchten. Sie würden das Zimmer finden, aber noch nicht gleich.
    Abrupt setzte sie sich auf. Was hatte die Stimme in ihrem Kopf gesagt? Dein Weg ist hier zu Ende, Kassandra?
    Wild starrte sie in ihrem Zimmer umher. Sie war allein. Nein, sie war nicht allein. Sie war nie allein. Sie würde es nicht einmal sein, wenn die Leiche ihrer Schwester verscharrt war.
    Sie trat zu dem Fenster, unter dem das umgedrehte Bild lehnte. Sie zögerte lange. Sie wusste, was geschehen würde, wenn sie es aufnahm und ansah.
    Schließlich bückte sie sich, drehte es um und betrachtete es.
    Zwei kleine Mädchen, die nebeneinanderstanden und den Porträtisten ängstlich anlächelten. Der Mann war gut gewesen; Ladislaus von Pernstein hatte nur hervorragende Künstler verpflichtet in seinem Bemühen, in Schönheit bankrottzugehen. Man hätte denken können, dass der Maler einfach das gleiche Kind zweimal gemalt hatte: Haare, Augen, Nasen, Münder, die Kleider, die Art, wie sie dastanden und sich an den Händen hielten, waren völlig identisch. Doch nur ein Gesicht war makellos. Das zweite trug ein rotes Mal, und selbst der Versuch, es mit Kreide zu übermalen, war fehlgeschlagen. In Kassandras Kopf hallte

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