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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Körper. Dornen hakten sich ein wie Geißeln und rissen Fetzen von Haut heraus, Äste schrammten über sie hinweg oder schlugen Blutergüsse. Die Februarkälte biss, die Schneeflächen, über die sie hastete, waren wie eisglühende Glasscherben unter ihren Fußsohlen. Sie achtete nicht darauf, sie spürte sie nicht einmal, und wenn doch, dann schätzte sie sie gering, denn sie wusste, dass die Schmerzen, die auf sie warteten, wenn sie sie fingen, unendlich schlimmer sein würden.
    Und sie würden sie fangen.
    Die Luft brannte ihr in der Kehle, als müsse sie Säure atmen. Ihr Herz trommelte. Über ihre Haut liefen Kälte- und Hitzeschauer, und ihr Magen hob sich und ließ sie würgen und nach Luft schnappen, ohne dass sie im Laufen innegehalten hätte. Ihre bloßen Füße waren längst rohes Fleisch. Sie hörte die Pferde wiehern, aber sie hatte einen Vorteil, obwohl er ihr nicht bewusst war: Sie lief durch Jungwald, und die Verfolger hatten Mühe, ihre Tiere hindurchzulenken.
    Sie hatte nicht daran gedacht. Alles, was sie gedacht hatte, war, dass sie nicht leiden wollte, dass sie nicht sterben wollte, dass sie ihr Leben nicht in diesen Trog rinnen sehen wollte, dass sie nicht über diesem See aus Blut festgehalten werden wollte, die Messerklinge noch immer in der Kehle, um die Wunde offen zu halten, um würgend und zuckend und strampelnd zu vergehen, das letzte Bild, das sich den Augen einbrannte, das des eigenen Gesichts, das sich in dem schwarzen See aus stinkendem Blut spiegelte, während die Schattenschon herausgriffen, um sie in die Dunkelheit zu ziehen – ungebeichtet, unerlöst, auf ewig das Eigentum des Teufels, zu dessen Werkzeug sie der Tod gemacht hatte.
    Denn das war es, was ihre Verfolger in Wirklichkeit waren: Luzifers Schergen.
    Sie hatte einen Moment der Unachtsamkeit genutzt, als alle angepackt hatten, um den noch bebenden Leichnam ihrer Vorgängerin auf die Rutsche zu wuchten, die zu den Ställen führte.
    Sie wusste, es hatte nichts genützt. Die Schergen würden sie kriegen. Sie rannte weiter.
    Eine Lichtung! Sie hörte das Läuten von Glocken und das Gemecker von Ziegen über das Rauschen des Blutes in ihren Ohren hinweg. Sie stolperte. Die Hoffnung flackerte wild auf. Wo Tiere waren, waren vielleicht Menschen – Hütebuben, ein Hirte, Bauern …
    Sie hörte das Sirren. Plötzlich lag sie auf dem Boden und starrte das Mosaik aus Nadeln, Ästchen und toten Herbstblättern an. Den Schlag in ihrem Rücken spürte sie erst hinterher, aber keinerlei Schmerz. Sie rang nach Luft. Ihre Brust wollte sich nicht heben. Sie versuchte, sich auf einen Arm zu stützen, und die Bewegung brannte einen Feuerstrahl durch sie hindurch. Sie ächzte. Sie bekam immer noch keine Luft. Sie hörte das Stampfen der Pferde und ihr Schnauben. Sie versuchte, über ihre Schulter zu spähen, aber ihr Körper war erstarrt, ein Leib aus versteinertem Holz, durch dessen Mitte ein rot glühender Pfahl ging. Sie hörte Stiefel, die über den Waldboden näher kamen. Sie starrte in zwei Augen und war sich auf einmal bewusst, dass dies keine Einbildung war, dass die Augen tatsächlich da waren, dass sie jemandem gehörten, der keine fünf Schritt weit entfernt in einem Gebüsch versteckt lag und ihren Blick zurückgab. Sie wollte den Mund öffnen und um Hilfe schreien, aber der glühende Pfahl verhinderte auch dies. Sie merkte, dass die Schatten von den Rändern ihres Blickfeldes her heranschwammen.
    Dann wurde sie herumgerissen, ein wilder Ruck aus Schmerz und Feuer, und sie sah, dass ihre Verfolger sie erreicht hatten. Sie sah die Spitze des Armbrustbolzens aus ihrem Leib ragen. Sie sah in das Antlitz Luzifers, sah es lachen, sah den Teufel vor Schadenfreude tanzen.
    Sie hatte Angst gehabt, dass es schlimm werden würde. Nun erfuhr sie, dass sie keine Ahnung gehabt hatte, was schlimm bedeuten konnte.
    2
    Man konnte der Baustelle ansehen, dass sie aus einer Ruine entstanden war. Wenn man wollte und nahe genug heranging, konnte man es sogar riechen : Ruß und Brand, uralte, nass gewordene Asche, ätzender Staub im Sommer, mürbes Mauerwerk und müde Schneereste in den Ecken an einem frühen Märztag wie heute. Alexandra fühlte jedes Mal, wenn sie hierherkam, die gleiche Mischung aus Beklommenheit, Bedauern und Furcht. Sie war lange nach dem Brand der Niederlassung der Firma »Wiegant & Wilfing« in Prag geboren worden und kannte die Geschichte nur aus zweiter Hand: die Geschichte über die unheimlichen Mönche, die mit einer

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