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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Verankerung und baumelte an einem dünnen Kettchen. Wenzel fand das Schlüsselloch. Vorsichtig steckte er den Schlüssel hinein; er passte. Er drehte daran. Im Inneren des Objekts schnarrte etwas. Ungläubig wurde ihm bewusst, dass es sich um eine Art mechanisches Spielzeug handelte. Etwas klickte, die Rädchen und Zahnstangen an der Außenseite verschoben sich ruckartig und zitternd. Der Fall bis hier herunter auf diesen Abfallhaufen hatte dem Automaten nicht unbedingt gutgetan. Er drehte weiter. Er hätte seinen Fund beinahe fallen gelassen, als die beiden Figuren sich plötzlich von allein auf den Rücken drehten. Wenzel sah dünne Stangen und Drähte, die aus den Spalten kamen und mit den Gliedmaßen der Figuren verschweißt waren. Die Figuren waren ein nackter Mann und eine nackte Frau. Der nackte Mann hatte nur einen rechteckigen Schlitz dort, wo seine Männlichkeit hätte sein sollen. Es war bemerkenswert, dass ausgerechnet dieses Teil abgebrochen war. Die anatomisch genaue Ausarbeitung der beiden Figuren ließ Wenzel ahnen, dass es nicht absichtlich weggelassen worden war. Er drehte den Schlüssel erneut.
    Weitere Räder kamen in Bewegung. Ruckartig und marionettenhaft steif kamen beide Figuren in die Höhe, standen nach einem zittrigen Geklacker dank spinnenhaften Fuhrwerkens von Stängelchen, Drähten und Gelenken senkrecht und schauten sich über den obersten Sockel hinweg an. Wenzel war fasziniert.
    Eine noch längere Schlüsselumdrehung transportierte die Figuren auf den Sockel hinauf, und ein dünnes Sirren ertönte.
    »Oh, oh …«, machte Wenzel.
    Etwas zeigte sich in der Aussparung zwischen den Beinen der männlichen Figur, das offenbar doch nicht abgebrochen war, sondern nun von einem weiteren Mechanismus dort hervorgeholt wurde. Mit weit aufgerissenen Augen sah er einen mächtigen Phallus, der sich langsam und anatomisch schmerzhaft unkorrekt nach unten aus dem Bauch der Figur schob, dann aber – anatomisch ebenso schmerzhaft korrekt  – zu steigen begann. Wenzel schluckte.
    »Aha«, sagte jemand fast in sein Ohr.
    Wenzel fuhr zusammen und stieß den Automaten aus Versehen gegen einen Ast. Das Sirren verstummte, alle Bewegung kam ruckartig zur Ruhe. Etwas klackerte im Inneren, als sei die letzte Stunde des Geräts nahe.
    Wenzel stierte nach unten zum Fuß des Wurzelhaufens, wo nur ein paar Handbreit unter seinem eigenen Platz ein junges Mädchen stand. Wenzel hatte Cyprian Khlesl einmal lachend sagen hören, dass er vor seiner Hochzeitsnacht drei Stoßgebete gesprochen habe: das erste, dass er nicht vor Aufregung versagen möge, das zweite, dass, wenn seine Frau schwanger würde, alles gut ausginge, und das dritte, dass ihrerstes Kind, wenn es ein Mädchen werden sollte, nicht so aussehen solle wie ihr Vater. Da alles genauso eingetroffen sei, hatte Cyprian weiterhin ausgeführt, habe er nicht mehr gewagt, ein viertes Gebet zu sprechen: dass seine Tochter gehorsam werden möge. Alexandra hatte eine Schnute gezogen und, als Wenzel ihr einen Seitenblick zugeworfen hatte, die Augen gerollt, halb in amüsiertem beiderseitigen Einvernehmen, dass die eigenen Eltern unmöglich waren, halb verärgert, dass er, Wenzel, dies überhaupt mit angehört hatte.
    Alexandra hatte alles geerbt, was ihre Mutter ihr an Schönheit vermachen konnte: Sie war groß, schlank, bereits jetzt fraulich, hatte ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen, kühnen Augen und eine Mähne dunklen Haars. Wenzel war jedes Mal aufs Neue irritiert, wenn er in diese Augen blickte und das Gefühl hatte, in die Augen seiner Tante oder seines Vaters zu blicken. Er selbst dagegen war völlig aus der Art geschlagen; wie es schien, hatte er von dieser Seite der Familie nicht das Geringste geerbt. Wie bei Alexandra musste auch in seinem Fall seine Natur nach der Mutter gekommen sein. Er wusste es nicht; sie war kurz nach seiner Geburt gestorben. Cyprian hatte ihn einmal scherzhaft an sich gedrückt und gesagt, sie beide seien die Außenseiter in dieser Familie aus schönen Menschen, zwei hässliche Kerle, die nur existierten, um die Schönheit der anderen herauszustellen. Wenzels Lachen hatte selbst in seinen eigenen Ohren blechern geklungen.
    »Ich wollte mal wissen, was du hier treibst«, sagte Alexandra. »Ich habe dich neulich zufällig im Hirschgarten verschwinden sehen. Deshalb bin ich dir nachgegangen.«
    »Ah ja«, sagte Wenzel schwach und versuchte, unauffällig den Automaten zu verbergen.
    »Was hast du da?«
    »Nichts«, sagte

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