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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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herausfinden.«
    »Würdest du es nicht wollen?«
    Vielleicht lag es daran, dass sie sich immer noch für ihre Taktlosigkeit schämte, denn sie sagte beinahe freundlich: »Ich bin schon oft hier gewesen. Ich glaube, meine Mutter würde einen Anfall bekommen, wenn sie mich erwischt hätte. Du weißt ja, wie nahe unser Haus dieser Ruine hier eigentlich ist. Dennoch schafft sie es kaum jemals, daran vorbeizugehen. Sie findet irgendwie immer einen anderen Weg.«
    »Ich bin zum dritten Mal hier. Es ist nicht einfach …«
    Seine Ehrlichkeit bewog sie, ihm ein Angebot zu machen. »Sehen wir uns gemeinsam ein bisschen um?«
    »Ich weiß nicht, wonach ich mich umsehen sollte«, erwiderte er, und Alexandra stellte erstaunt fest, dass sie seine Ablehnung bedauerte. »Mein Vater sucht hier auch nach nichts. Er steht immer nur eine Weile auf dem Pflaster und schaut zu Boden. Dann geht er wieder.«
    Alexandra hatte eine Intuition. »Als wäre er auf einem Friedhof.« Wenzel starrte sie an. Von sich selbst überrascht, hörte sie ihren Worten nach. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Was ist jetzt? Kommst du oder nicht?«
    Sie sah ihn einen weiteren Moment lang zögern, dann glomm plötzlich ein Licht in seinen Augen auf, und er lächelte breit. Es tat ihr fast weh zu erkennen, wie er sich freute, von ihr einmal nicht die kalte Schulter gezeigt zu bekommen, und in diesem Augenblick bedauerte sie alle Gelegenheiten in der Vergangenheit, die sie nicht genutzt hatte, locker und freundschaftlich mit ihm umzugehen. Im Haus ihrer Eltern gaben sich hoffnungsvolle Anwärter auf ein mögliches Verlobungsversprechen ihrerseits schon seit ein paar Jahren die Klinke in die Hand, und jeder Einzelne von ihnen war in seinen besten Momenten ein größerer Trottel, als Wenzel es in seinen schlechtesten war. Weder ihr Vater noch ihre Mutter hatten sie je gedrängt, sich für einen Bewerber zu entscheiden, selbst wenn es Geschäftsvorteile kostete. Sie war ihnen dankbarer dafür, als sie in Worte fassen konnte. Es schien ihr stets, als warte ihr Herz ab, bis der Richtige kam, und sie hoffte, dass es sich dann mit einem Ausbruch an Liebe öffnen würde, der sie atemlos machte.
    »Na gut«, sagte Wenzel. »Ich verlasse mich darauf, dass du alle Drachen erschlägst, die uns über den Weg laufen.«
    »Wäre das nicht deine Aufgabe?«
    »Ich will mich nicht vordrängen.«
    »Zu viel Höflichkeit ist deplatziert.«
    »Jemanden wie dich als hilflosen Wurm zu behandeln, der sich hinter dem Rücken des hilfreichen Ritters verbirgt, wäre noch viel deplatzierter.« Er klappte den Mund zu und räusperte sich, und seine Wangen verfärbten sich. Ganz klar hatte da eben sein Herz eine kurze Auszeit seines Gehirns genutzt, um zu plappern. Alexandra senkte den Kopf, damit er nicht merkte, dass auch sie rot wurde. Es war unsinnig, und sie versuchte, nicht so zu fühlen, aber tatsächlich hatte er ihr gerade ein ebenso großes wie unbeholfenes Kompliment gemacht.
    Sie drehte sich um und riss die Initiative bewusst an sich. Zwar hatte sie keine Ahnung, wohin sie Wenzel führen sollte, da vom Haus nicht viel mehr stand als die Außenmauern bis über die erste Etage hinaus, ein halbes Treppenhaus und das Deckengewölbe des Erdgeschosses. Der alte Wilfing hatte den vorherigen Grundriss übernommen – kleine und große Lagerräume auf dem Gassenniveau, die Wohnräume der Herrschaft im ersten und Gesindezimmer im Dachgeschoss, so dass das Erdgeschoss ein dunkles Labyrinth aus schmucklosen, viereckigen Räumen war, in denen es tatsächlich nichts Interessantes zu sehen gab. Das Spannendste, das Alexandra jemals entdeckt hatte, war ein menschlicher Schädel in einem der hinteren Lagerräume gewesen – nur dass es in Wahrheit kein Schädel, sondern eine rundlich gezogene Trinkflasche aus fleckig und grau gewordenem Ton gewesen war, die einer der Arbeiter hier vergessen haben musste. Das Herzklopfen, das sie beim ersten Anblick verspürt hatte, war dennoch köstlich gewesen.
    Sie merkte, dass Wenzel stehen geblieben war.
    »Was ist da unten?«
    »Das Kellergewölbe. Komm weiter.«
    »Sehen wir ’s uns an.«
    »Bist du verrückt?«
    Er musterte sie. Alexandra biss die Zähne zusammen. Soeben hatte sie eine Schwäche eingestanden; selbst ihre schrille Stimme hatte sie verraten. Gleich würde er grinsen und sie verspotten, und sie konnte es ihm nicht einmal verdenken. Sie hatte stets jede Schwäche seinerseits zu gnadenlosem Hohn ausgenutzt. Doch Wenzel sagte nur:
    »Da

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