Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Ich wette, irgendwo wird schon die Annullierung von Ferdinands Wahl vorbereitet. Sie warten nur eine günstige Gelegenheit ab.«
Agnes schwieg. Cyprian wechselte den Wecken von einer Hand in die andere. Sein Lächeln wurde breiter.
»Du bist so schön«, sagte er, und Agnes, die merkte, dass sie die Decke wieder hatte sinken lassen, zog sie erneut hoch. Sie zog ein Gesicht.
»Ich bin fett«, sagte sie unwillkürlich, wie sie es immer tat, wenn Cyprian sie bewunderte.
Er schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er recht: Wenn es nicht völlig ausgeschlossen für die Frau eines wohlhabenden Teilhabers und Tochter eines in Wien lebenden Kaufmanns gewesen wäre, alte Kleidung zu tragen, hätte sie immer noch die Gewänder anziehen können, die sie als Zwanzigjährige besessen hatte. Zwei Fehl- sowie drei erfolgreiche Geburten und die Jahre hatten dennoch Spuren hinterlassen. Sie war sich bewusst, dass sie zwar schlank, ihr Körper aber nicht mehr so straff war wie früher und dass ihre Brüste zwar voll geblieben, aber mittlerweile deutlich nach unten gesackt waren. Wenn Cyprian sie spielerisch in das weiche Gewebe oberhalb ihrer Hüften kniff, wo er früher höchstens die Haut hätte zu packen bekommen, fühlte sie sich manchmal resigniert. Eigentlich hatte sie das Gefühl, dass sie im Herzen nicht mehr als ein oder zwei Jahre gealtert war seit ihren Jugendtagen, doch ihr Körper verriet ihr, dass sie sich da täuschte.
»Der Bäcker glaubt, in ein paar Jahren werde Böhmen ein protestantisches Paradies sein und das restliche Reich missionieren. Der katholische Glaube sei jetzt schon von vorgestern.«
»Und was glaubst du?«
Er warf den Wecken in die Luft und fing ihn wieder auf. »Ich glaube, dass ich meinem Bruder ein paar von diesen Wecken zusenden sollte, damit er endlich versteht, was der Unterschied zwischen einem Bäcker und einem Bäcker ist.«
Als er nicht, wie sie erwartet hatte, herzhaft abbiss, sondern einfach auf der Fensterbank sitzen blieb und sie weiterhin musterte, beschleunigte sich ihr Herzschlag von Neuem, diesmal jedoch aus einer plötzlichen, richtungslosen Furcht heraus. Sie gab seinen Blick zurück, betrachtete nochmals seine Kleidung – sie hatte nicht gehört, dass er sich so vollständig angezogen hatte, er konnte lautlos wie ein Luchs sein, wenn er wollte – und spürte, wie jeder Appetit auf die frischen Backwaren in ihr erstarb.
»Onkel Melchior hat sich gemeldet«, sagte sie.
»Onkel Melchior ist öfter in Prag als in Wien«, sagte er. »Er besucht uns jedes Mal, wenn er hier ist – erinnerst du dich?« Sein Lächeln veränderte sich nicht.
»Du weißt genau, wie ich es gemeint habe.«
Er schwieg. Plötzlich legte er den Wecken auf die Fensterbank, wandte sich ab und blickte zum Fenster hinaus. Sie sah sein Profil. Das Lächeln war jetzt aus seinem Gesicht verschwunden. Eine eisige Hand drückte ihr die Luft ab, und unvermittelt war sie tatsächlich wieder zwanzig Jahre alt – und überzeugt, dass sie Cyprian für immer verloren hatte und ihr Leben, das sich als eine absolute Lüge entpuppt hatte, vorbei war, bevor es hatte beginnen können. Sie erschauerte in dem kalten Schatten, der nach all den Jahren erneut auf sie fiel, dem Schatten eines monströsen Buches, für das ihre Eltern umgekommen und ihre Familie und der Mann, dem sie ihre Liebe geschenkt hatte, erbarmungslos gejagt worden waren. Gänsehaut überzog ihre Arme.
»Ich weiß nicht, worum es geht«, sagte Cyprian.
»Aber du fürchtest etwas …«
»Ich fürchte viele Dinge. Dass es regnen könnte, wenn ich draußen bin und keinen Hut aufhabe. Dass mein Bruder erkennt, dass er als Bäcker nichts taugt, und mich bittet, die Bäckerei zu übernehmen. Dass du eines Tages die Nase voll von mir hast und dir einen zwanzigjährigen Jüngling zum Liebhaber nimmst, der sich anstrengen muss, um mit dir mithalten zu können.«
Agnes fühlte sich nicht belustigt. »Ihr hattet ein Abkommen, du und der Kardinal«, sagte sie. »Du hast es damals mehr als erfüllt. Du bist ihm nichts mehr schuldig.«
»Richtig.«
»Aber du rennst trotzdem, wenn er ruft.«
Cyprian bedachte sie mit einem Lächeln, das ihr eines deutlich sagte: Wie viel Liebe auch immer er für sie, für seine Familie empfand, es würde doch immer einen Teil seines Herzens geben, der nicht ihr und den Kindern gehörte, sondern Melchior Khlesl. Sie spürte Unwillen, aber die Angst, die langsam ihre Kehle hochkroch, war stärker.
»Glaubst du, es geht …
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