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Die Wächter Edens

Die Wächter Edens

Titel: Die Wächter Edens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Bellem
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recht gelingen. Sie kannte sein Gesicht von unzähligen Fotos, doch die eigene Erinnerung an ihren Vater verschwamm von Jahr zu Jahr mehr.
    Tom klatschte in die Hände und riss sie zurück in die Wirklichkeit. »Dann zeig mir mal, was du bisher zusammengetragen hast.«
    Arienne nickte und ging in eine Ecke des Wohnraumes, die sie zu ihrem Büro auserkoren hatte. Auf einem kleinen Schreibtisch lag ihr Notebook, dessen Display heruntergeklappt war. Daneben wirkte das kleine Regal mit einigen Aktenordnern darauf nicht weniger verloren.
    Zielsicher griff sie einen grauen Ordner heraus und überreichte ihn Tom.
    Er blätterte die Seiten rasch durch, ohne sie zu studieren. »Sind das nur Zeitungsartikel und öffentliche Polizeiberichte?«, fragte er schließlich.
    »Zu allen Todesfällen der letzten fünf Jahre, die mir unnatürlich erschienen, ja«, antwortete sie stolz.
    Tom seufzte und warf den Ordner achtlos aufs Sofa. »Das ist alles nutzlose Scheiße.«
    »Was?« Sie spürte, wie ihr Puls losraste und sie unbewusst einen Schritt zurückwich.
    Tom schüttelte den Kopf. »Wo sind die Augenzeugenberichte? Hast du dir die Fundorte der Leichen angesehen? Hast du mit Angehörigen gesprochen?« Er beruhigte sich wieder, atmete tief durch und bedachte sie mit einem gutmütigen Lächeln. »Wenn du eine Reporterin werden willst, dann darfst du nicht bei grundlegenden Dingen patzen, verstanden?«
    »Aber Ed sagte immer, ich soll nicht …«, stammelte sie, doch Tom fiel ihr ins Wort.
    »Was Ed sagt und was er will, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ed will, dass die Zeitung jede Woche voll ist. Er will gute Storys. Und er will vor allem gut recherchierte Geschichten.«
    »Meine Story wollte er nicht!«, protestierte sie.
    »Weil es noch gar keine ist!«, beharrte Tom.
    »Und was jetzt?«
    Er legte den Kopf schief und musterte sie. »Willst du es noch immer versuchen?«
    »Natürlich!«, entgegnete Arienne mit fester Stimme.
    »Gut. Aber wir machen es richtig. Morgen kümmern wir uns um die Hintergründe deiner Story.«
    »Warum erst morgen?«
    Tom sah auf seine Armbanduhr. »Weil Ed allmählich ein Magengeschwür wächst, wenn wir nicht in der Redaktion auftauchen. Und wir müssen noch die Meldung zu dem toten Penner von heute Nacht schreiben.«
    »Bist du mit dem Auto da?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Ich hab mich von dem Fotofuzzi vom Fernsehen mitnehmen lassen. Aber als du kamst, war der schon weg.«
    »Teilen wir ein Taxi oder laufen wir die paar Meter?« Sie warf einen Blick zum Fenster hinaus. »Es scheint nicht mehr zu regnen.«
     
    *
     
    In der Redaktion herrschte das übliche Chaos. Setzer, Grafiker, Journalisten – alles wuselte durcheinander, suchte nach dem letzten Schliff, zeigte Ed die neuesten Ideen und hoffte auf seine Zustimmung. Meist gab er sie nicht. Wenn Tom das Klischee eines Reporters war, dann war Ed das des diktatorischen Herausgebers.
    Er war so gut wie immer schlecht gelaunt, lehnte neue Ideen grundsätzlich ab, solange sie nicht von ihm kamen, und schien immer denselben Zigarrenstummel im Mundwinkel klemmen zu haben. Arienne graute vor dem Gespräch und dem Moment, in dem Tom ihm offenbaren würde, dass sie gemeinsam an der Story arbeiteten, doch Tom hielt sich erstaunlich bedeckt. Stattdessen ließ er die zu erwartende Fluch-Salve über sich ergehen und gab Ed die Einzelheiten über den toten Obdachlosen.
    »Gut, gut«, sagte Ed. »Das kann noch in die morgige Ausgabe. Nächste Woche interessiert das doch kein Schwein mehr.«
    »Falls es überhaupt jemanden außer uns interessiert«, konterte Tom.
    Ed zuckte die Achseln. »Vermutlich nicht, aber bringen müssen wir es trotzdem.«
    Damit war alles gesagt und sie konnten wieder an ihre Schreibtische zurück. Tom hatte ein eigenes Büro. Es war zwar klein, aber es hatte eine Tür, die man abschließen konnte. Arienne hatte nur einen durch Stellwände abgetrennten Arbeitsplatz im Großraum der Redaktion. Wie gern hätte ich eine Tür! , dachte sie sehnsüchtig, als Tom in seinem Zimmer verschwand. Aber Büros für Volontäre waren einfach nicht vorgesehen. Nicht einmal alle fest angestellten Redakteure hatten einen eigenen Raum. Aus dem Radio eines Kollegen tönte in angenehmer Lautstärke »Nantes« von Beirut. Arienne mochte den Song und trommelte leicht mit den Fingern zur Musik. Sie gab ihrem Ficus einen Schluck Wasser, denn sie versuchte, das winzige bisschen Natur neben dem grauen Bildschirm um jeden Preis zu erhalten.
    Sie wollte gerade die

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