Die Wächter Edens
den Raum in schummriges Licht, doch nach der nahezu vollkommenen Dunkelheit des Treppenhauses war dies mehr als ausreichend, um sich umzusehen.
Francks Penthouse erstreckte sich fast über die gesamte Länge des Museums, was gut und gerne dreißig Meter waren. In der Breite maß die Wohnung deutlich weniger, da auch die Dachschrägen den nutzbaren Raum begrenzten.
Tonis Aufmerksamkeit wurde durch das Mobiliar abgelenkt. Allein die Tatsache, dass es in solcher Fülle vorhanden war, brachte ihn aus dem Tritt. Ein langes Sofa mit dicken Polstern war auf einen Flachbildfernseher der neusten Generation ausgerichtet. Bücherregale dienten als Raumteiler zur Küche. Toni wollte schon einen Blick auf die Buchtitel werfen, als ein lautes Brüllen ihn zurück in die Realität riss.
»Engel! Du bist hier nicht willkommen!« Franck war offensichtlich aufgebracht. Ganz so, wie sie es vorhergesagt hatten.
»Schweig!«, schoss Vincent zurück, und in seine Stimme hatte sich ein bedrohlicher Unterton gemischt. »Ich bin nicht deinetwegen hier.«
»Bruder«, erklang Nathans Stimme. Toni konnte ihn noch nicht sehen, denn die drei standen hinter der Regalwand.
Shane war als Erster in Schussposition. »Hallo, Franck«, sagte er und lenkte die Aufmerksamkeit des Gargoyles auf sich.
Toni fühlte an einem leichten Beben im Boden, dass der Wasserspeier sich auf sie zubewegte. Er wappnete sich innerlich gegen die Panik, die die Begegnung vermutlich auslösen würde, und zwang sich, auf den Durchgang zu blicken.
Francks Gestalt erschien neben dem Bücherregal. Die Haut war vom Ton dunklen Granits und schimmerte ledrig im Kerzenschein. Doch was Tonis Blick auf der Stelle fesselte, waren die rot glühenden Augen, die wie zwei feurige Rubine in den steinernen Höhlen saßen. Als Franck den Mund zum Sprechen öffnete, da glaubte Toni in das Maul eines Löwen zu blicken. »Shane MacRath«, sagte er langsam, wobei sich seine Gesichtszüge kaum bewegten. Sein kahler Kopf glich einer polierten Steinplatte.
Franck marschierte mit Bedacht weiter auf sie zu. Shane wich einen Schritt zurück, was angesichts der Größe des Gargoyles nicht verwunderte. Franck maß in der Höhe vermutlich kaum mehr als zwei Meter, aber seine Flügel mochten es auf eine Spannweite von knapp vier Metern bringen.
Flügel! , schoss es Toni durch den Kopf. Warum müssendiese Dinger immer Flügel haben? , fragte er sich in Erinnerung an Vlad. Ledrige Schwingen, die wie das Flügelpaar eines Drachen aussahen, wuchsen aus den Schulterblättern des Wasserspeiers.
Die lebende Statue machte einen weiteren Schritt in die Mitte des Wohnzimmers und blickte jeden von ihnen aus wütend funkelnden Augen an. »Was macht ihr in meiner Wohnung?«
Vincent kam gemessenen Schrittes aus der Küche. »Ich will nur Nathaniel«, sagte er. »Kommst du freiwillig mit, Bruder?«
Nathan trat nun ebenfalls ins Wohnzimmer ein. Bis auf eine Kleinigkeit sah er Vincent recht ähnlich, nicht in seinen Gesichtszügen, sondern in seiner gesamten Erscheinung. Auch Nathan umgab eine Aura der Erhabenheit, die man nicht sehen oder greifen – sondern lediglich in der Seele spüren konnte. Doch anders als bei Vincent wurde sein Gesicht nicht von goldenem Haar eingerahmt, sondern pechschwarze Strähnen hingen ihm vereinzelt über die Augen und in den Nacken. Das fahrige Haar ließ ihn so viel erschöpfter wirken, als er es vermutlich jemals sein könnte. Trotz aller Erhabenheit wirkte Nathaniel getrieben.
Nathans Blick wanderte von Vincent über die Paladine und Franck wieder zurück zu Vincent. »Wieso konnte es so weit kommen?«
»Du hast Celine in den Tod getrieben mit deinen Versprechungen von Eden«, sagte Vincent leise. »Du wusstest, dass sie dir alles geglaubt hätte.«
»Die Menschen verdienen das Paradies«, hielt Nathan dagegen.
Vincent schüttelte den Kopf. »Sie starb für deinen Irrtum.«
»Gott machte uns zum Wächter des Baumes, damit wirden Menschen das Paradies bringen können«, hielt Nathan dagegen.
Wieder schüttelte Vincent den Kopf. »Gott machte uns zum Wächter des Baumes, damit Luzifer ihn niemals finden kann.«
»Du irrst!«
Toni versuchte sich wieder auf Franck zu konzentrieren, denn die beiden Engel schienen in eine endlose Debatte zu verfallen. Der Gargoyle hörte den beiden ebenfalls aufmerksam zu, blickte allerdings einige Male verstohlen zu Shane hinüber.
Nathan zuckte plötzlich mit den Schultern. »Was spielt es noch für eine Rolle? Der Baum ist mit Celine
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