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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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dass man ihr irgendetwas verheimlicht hatte, etwas, von dem sie eigentlich hätte wissen müssen. Das ärgerte sie.
    »Und? Habt ihr nun endlich beschlossen, mich einzuweihen ?«
    Anselmo hörte auf zu kauen, wischte sich mit dem Daumenknöchel einen Tropfen Honig vom Kinn und warf Cosimo einen fragenden Blick zu.
    »Ja, wir werden Euch alles erzählen«, sagte Cosimo. Er nahm sich nun ebenfalls einen Brotfladen, doch anstatt ihn zu essen, zerpflückte er ihn in kleine Stücke, die er achtlos auf seinen Teller fallen ließ. »Ich muss dazu ein wenig ausholen, und dies ist eigentlich nicht der richtige Ort. Und auch nicht der richtige Zeitpunkt.«
    Anne atmete geräuschvoll aus. Ihre gute Laune war nun endgültig verflogen. Anstatt ihn zu umarmen, hätte sie Cosimo jetzt durchschütteln können.
    »Und wann ist Eurer geschätzten Meinung nach der richtige Zeitpunkt gekommen? In einer Woche? In einem Jahr? Wenn ich Großmutter bin? Oder vielleicht nie?« Sie musste sich beherrschen, um ihren Löffel nicht quer über den Tisch und ihm an den Kopf zu werfen. Oder das Messer. Das hätte noch besser zu ihrer Wut gepasst. »Hört mir mal gut zu, verehrter Cousin . Im Jahre 2004 seid Ihr selbst offenbar der Ansicht , dass dies genau der richtige Ort und der ideale Zeitpunkt ist. Ihr selbst habt mich schließlich hierher geschickt. Und da ich zufällig weiß, dass ich nicht lange hier bleiben werde, solltet Ihr Euch mit Euren Erklärungen beeilen, bevor ich wieder weg bin!«
    Cosimo und Anselmo sahen sich an, und Cosimo nickte.
    »Also gut. Das Elixier der Ewigkeit ist Euch doch noch ein Begriff?«
    Anne schnaubte. »Was glaubt Ihr, wie ich hierher gekommen bin. Mit der Bahn?«
    Anselmo runzelte unwillig die Stirn und öffnete den Mund, doch Cosimo legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Umso besser«, sagte er. Sein blasses Gesicht war ernst. Trotzdem hatte Anne den Eindruck, endlich für voll genommen zu werden. »Vor einigen Jahren habe ich auf einer Reise in Paris ein Buch erstanden. Es war eine englische Ausgabe der Sage über König Artus. Ich weiß nicht, ob Ihr sie kennt, aber das ist auch nicht wichtig. In dem Buch fanden wir …« Cosimo schob den Stuhl zurück und erhob sich abrupt. »Aber es ist wohl besser, Ihr seht es Euch selbst an. Kommt!«
    »Wohin?«
    »In die Bibliothek«, antwortete Cosimo. »Anselmo, du auch.«
    »Ich? Aber ich bin mit dem Frühstück noch nicht fertig. Außerdem kenne ich …«
    »Anselmo!« Cosimos Stimme wurde scharf, und verärgert warf Anselmo seinen angebissenen Brotfladen so heftig auf den Teller, dass er auseinander fiel und der Honig zu allen Seiten über den Tisch spritzte.
    »Als ob das nicht noch etwas Zeit hätte«, schimpfte er und folgte Cosimo mit finsterem Gesicht. »Außerdem habe ich diesen verdammten Brief bereits so oft gelesen, dass ich ihn hier und jetzt originalgetreu kopieren könnte – inklusive jedes Tintenflecks . Und das auch noch mit verbundenen Augen!«
    Cosimo achtete nicht auf Anselmo, sondern ging voraus in die Bibliothek. Dort verriegelte er zuerst die Tür und die Fensterläden . Er zog sogar noch die Vorhänge zu. Dann öffnete er eine Geheimtür und spähte in die dahinterliegende Kammer, als würde er fürchten, belauscht zu werden.
    Aha, dachte Anne, Sharon hatte Recht gehabt. Dort befindet sich im Jahre 2004 das Bad.
    »Anselmo!« Er deutete mit dem Kopf in die Kammer. Anselmo verzog das Gesicht, ging aber hinein und machte es sich dort auf dem Boden bequem.
    »So«, sagte Cosimo und atmete lange aus. »Ich glaube, jetzt können wir es wagen.«
    Anne fragte nicht, sondern sah zu, wie Cosimo einen kleinen goldenen Schlüssel hervorholte, den er offensichtlich an einer langen dünnen Kette unter seinem Hemd trug. Ihr war bisher weder die Kette noch der Anhänger aufgefallen. Dann trat er vor eines der Regale und nahm ein großes schweres Buch heraus. »Haltet das bitte«, sagte er und legte Anne vorsichtig das Buch in die Arme. Sein Gewicht zog sie fast zu Boden.
    »Die Bibel!«, rief sie aus, als sie das Buch in ihren Armen erkannte . »Das ist die Bibel, die ich mir in Eurer Bibliothek angesehen habe, als ich Euch in Eurem Haus in Florenz besucht habe.«
    »Ihr erkennt es tatsächlich wieder?« Cosimo hob spöttisch die Augenbrauen. »Ich hätte nie gedacht, dass Ihr es zugeben würdet.«
    »Was sollte ich denn zugeben?«
    »Dass Ihr an diesem Morgen in meinem Geheimfach geschnüffelt habt«, sagte Cosimo, während er auf eine Holzleiste drückte

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