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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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trampelt.«
Die Trommeln der Stadt
    Mitten in der Nacht wurde Agnes von einem Kanonenschuss geweckt, der über die Stadt hinwegdonnerte. Anschließend waren Trommeln zu hören. Die rhythmischen Schläge sollten die Einwohner von Marstrand wachrütteln. Eingewickelt in ihre Daunendecke ging sie an das Fenster. In Widells Haus wurden Lampen angezündet, und kurz darauf sah sie, wie man Mauritz und zwei Knechte als bewaffnete Wächter vor die Tür postierte. Minuten später hörte sie die Rufe.
    »Häftlinge entflohen! Häftlinge entflohen!« Agnes packte die Angst. Sie betrachtete das schmiedeeiserne Türschloss und hoffte, dass es standhalten würde, falls jemand hier vorbeikam. Irgendjemandem war es gelungen, aus der Festung Carlsten auszubrechen, wo die schlimmsten Verbrecher des Landes einsaßen. Möglicherweise handelte es sich bei den Ausbrechern um Mörder. Hastig zog sie sich an, doch dann blieb sie ratlos stehen und wusste nicht, was sie tun sollte. Auf die Straße konnte sie auf keinen Fall. Agnes trat wieder an das Fenster, doch nun sah sie nur noch den leeren Hinterhof. Sie setzte sich auf das Bett. Erschöpft, aber zu verängstigt, um wieder einzuschlafen. In dieser Nacht ertönte der dumpfe Klang der Trommeln noch stundenlang.
    Als es hell wurde, war draußen noch immer ein gewaltiger Tumult zu hören. Die Trommeln verstummten. Danach konnte Agnes nicht mehr einschlafen. Sie nahm sich ihr Tagebuch und schrieb die Ereignisse der vergangenen Tage auf. Was, wenn Mauritz das nächste Mal an ihre Tür klopfte, um sie zu bitten, Wache zu stehen? Sie hätte nie gedacht, dass es so gefährlich sein könnte. Was sollte sie Gewalttätern und Mördern entgegensetzen? Es war schon schlimm genug mit all den Wirtschaftskriminellen,die mit ihrem dehnbaren Gewissen nach Marstrand gekommen waren. Sie erinnerte sich, dass Vater im Rauchzimmer davon gesprochen hatte. Er hatte ihr erzählt, dass ein Mann, der ihm eine große Geldsumme schuldete, seine vom Konkurs bedrohte Firma einfach zurückgelassen und sich nach Marstrand abgesetzt hatte, um sich seinen Bürgerpflichten zu entziehen. Vater war nicht der Einzige, der betrogen worden war. Der Mann war offenbar mehrmals so vorgegangen, und mit einem erschlichenen und gestohlenen Vermögen in der Tasche befand er sich nun wahrscheinlich auf derselben Insel wie Agnes. Ihr Blick fiel auf das Dokument, das sie zwischen die Seiten ihres Tagebuchs gelegt hatte; es bewies, dass sie zum Aufenthalt in Marstrand berechtigt war.
    Sie dachte an das gestrige Gespräch mit Mauritz. Die jüdischen Kaufleute waren inzwischen so zahlreich, dass sie in Fredriksborg auf der Nordhälfte der Insel eine Synagoge hatten. Mauritz hatte ihr kurz vor Ladenschluss davon erzählt, als Oskar Ahlgren gegangen war. Hier war jeder ungeachtet seiner Religion oder Nationalität willkommen. Gar nicht zu reden von dem Ansturm, den die Lockerung des Zunftzwangs ausgelöst hatte, mit der man die Wirtschaft ankurbeln wollte. Was für Pfuscher da erschienen waren! Allerdings auch ein tüchtiger Schmied. All dies beruhte nur auf den Aussagen von Mauritz, andere Informationsquellen besaß Agnes noch nicht. Sie kannte ja niemanden, und als Agne Sundberg würde es ihr auch schwerfallen, Kontakte zu knüpfen.
    In dem Versuch, sich davon zu befreien, schrieb sie nicht nur ihre Gedanken, sondern auch ihre Ängste in ihr Tagebuch. Danach stand sie auf, machte das Bett und wusch sich. Als sie sich das Gesicht abtrocknete, kam ihr der Gedanke, dass sich Agne Sundberg ein dickeres Fell zulegen musste, denn sonst würde das Ganzeniemals funktionieren. Marstrand war kein Ort für Feiglinge. Sie betrachtete sich selbst im Spiegel. Ihre Augen sahen müde aus.
    Ja ja kom op meid, eh jongen bedoel ik!
    Raff dich auf, Mädchen! Oder Junge, meine ich!
    Sie hatte gerade ihr Hemd zugeknöpft, als es an die Tür klopfte. Ein Dienstmädchen mit einem Tablett stand davor. »Frühstück«, lächelte sie. »Herr Widell wünscht, dass Sie in sein Kontor kommen, sobald Sie fertig sind.«
    Eilig nahm Agnes ihr Frühstück zu sich und klopfte anschließend an Kaufmann Widells Kontor.
    »Wunderbar. Hat Agne gut geschlafen?«
    Agnes brachte keine Wort heraus. Die Müdigkeit machte sie träge, und außerdem hätte sie aus Höflichkeit am liebsten mit Ja geantwortet, obwohl sie kein Auge zugetan hatte.
    »Keiner von uns hat gut geschlafen«, beantwortete Widell die Frage selbst. »Ich nehme an, Sie haben den Tumult heute Nacht gehört?«
    »Und

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