Die Waechter von Marstrand
darüber reden. Die Schiffsladung wird versteckt, bis sich die Kaufleute ihrer annehmen und dafür sorgen, dass das Geld in die richtigen Kanäle fließt.«
Agnes dachte über das nach, was er gesagt hatte. Es war durchaus möglich, dass es noch weitere Lagerräume gab, die man ihr vorenthielt. An allem, was sie bisher zu sehen bekommen hatte, gab es jedoch nichts auszusetzen.
»Letzte Woche hat der Zoll zugeschlagen. Sie haben draußen auf Ärholm sechs ganze Fässer Kaffeebohnen gefunden.«
»Aber es herrscht doch Kaffeeverbot. Meinst du wirklich, jemand würde es wagen, Kaffee zu schmuggeln? Die Strafe …«
Oskar fiel ihr ins Wort. »Klar, aber denk doch mal an den Gewinn. Den Kaffee am Zoll vorbei nach Marstrand zu schmuggeln, ist das eine, aber wenn man die Ware bis nach Göteborg bringt, erzielt man einen unfassbaren Gewinn. Dafür würden viele das Risiko eingehen.«
»Was hast du eigentlich mit den Kaffeebohnen gemacht, die du gefunden hast?«, fragte Oskar.
»Entschuldige mich einen Augenblick.« Agnes ging auf die Bedienung zu. Kurz darauf kehrte sie mit zwei Bechern zurück.
»Was war noch mal deine Frage?«
Plötzlich breitete sich im Wärdshus das Aroma von Röstkaffee aus, und das laute Stimmengewirr, das bis vor wenigen Sekunden geherrscht hatte, verstummte innerhalb von kürzester Zeit.
»Ich wollte wissen, was du mit den Kaffeebohnen gemacht hast, aber ich glaube, jetzt kann ich es mir selbst ausrechnen.« Oskar lachte.
»Ich habe sie ins Feuer geworfen«, sagte Agnes, »damit alle hier drinnen etwas davon haben. Vor allem ein Gesprächsthema.«
Die Gäste sahen sich argwöhnisch an. Dann brachen wilde Diskussionen aus, die hier und da in Handgemenge ausarteten. Oskar fasste Agnes am Arm und zog sie an einen Tisch im hinteren Teil des Lokals. Es war das erste Mal, dass er sie berührte, dachte Agnes. Im schummrigen Licht betrachtete sie Oskar, der sich über irgendetwas den Kopf zu zerbrechen schien. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt, ihm über seine Bartstoppeln gestrichen und die Wärme seiner Haut gefühlt. Waren seine Augen eigentlich dunkelblau oder braun?
»Was meinst du, ist es zu unruhig hier?«, fragte er, während ein Bierkrug durch den Raum flog und an der Wand zerschellte. Rings um den Tresen herrschte mehr oder weniger Chaos, weil mehr als eine Person in Marstrand Geld in die geschmuggelten Bohnen investiert und auf einen satten Gewinn gehofft hatte. Nun schien es irgendjemandem gelungen zu sein, den Zoll an der Nase herumzuführen.
6
Als Vendela in die Küche kam, hatte Jessica gerade eine Flasche Wein geöffnet.
»Möchtest du auch ein Glas?«
»Gern.«
»Wo ist Charlie?«
»Der spielt irgendein Online-Spiel.«
Rickard trat ein.
»Hat jemand meine Badehose gesehen? Draußen fängt es an zu regnen, da wollte ich sie lieber reinholen.«
»Ich habe alles von der Leine genommen«, erwiderte Jessica.
»Auch unsere Sachen?«, fragte Vendela.
»Ja, natürlich.« Lächelnd holte Jessica ein Glas für Rickard.
»Mann, habe ich eine Lust auf was Süßes. Was gibt es denn noch?«
»Das ist der Nachteil, wenn man auf einer abgelegenen Insel wohnt. Wenn die Süßigkeiten alle sind, kann man nicht einfach neue kaufen gehen«, lachte Vendela und trank einen Schluck Wein. Der Blick, den Rickard und Jessica wechselten, bemerkte sie nicht.
»Der Wein ist gut!«, fuhr Vendela fort. »Ich glaube,Süßigkeiten haben wir leider nicht mehr, aber es gibt noch Käse, Oliven und Cracker. Was haltet ihr davon?«
»Klingt gut.« Rickard warf einen Blick in den Brotkasten, während Jessica den Kühlschrank durchsuchte. Vendela räumte den abgenutzten Klapptisch frei und stellte zwei gedrechselte Kerzenständer mit handgegossenen Stumpenkerzen darauf. Kurz darauf flackerte Kerzenschein auf den Wänden des alten Hauses.
Draußen ging der Sommertag zu Ende. Sie stellte Charlie auch einen Teller zusammen, trug ihn nach oben und stellte ihn neben den Computer, auf den er wie gebannt starrte. Wann war ihr kleiner Junge bloß so groß geworden? Fünfzehn Jahre. Das war doch verrückt. Sie strich ihrem Sohn über das Haar.
»Hör auf, Mama.« Er stieß ihre Hand weg.
Als Vendela zurückkam, war die Stimmung in der Küche irgendwie anders.
Sie nahm Platz und legte sich ein paar Stücke Käse und Oliven auf den Teller.
»Äh, tja«, sagte Rickard.
Vendela blickte auf.
»Es ist ziemlich viel Arbeit, den Bremsegård in Ordnung zu halten und so. Wenn man frei hat, möchte man doch
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