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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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die Trommeln.«
    »Ich hätte es gestern erwähnen sollen, denn Sie sind es nicht gewohnt. Nicht, dass man sich je daran gewöhnen würde. Meine Frau ist immer wieder entsetzt und wie gelähmt. Frauenzimmer, Sie wissen schon.«
    Widell erhob sich aus seinem geschnitzten Stuhl.
    »Er soll mal mitkommen, dann zeige ich ihm etwas.« Sie gingen durch das Kontor in den Hauseingang. Hier öffnete Kaufmann Widell eine Tür zum Innenhof und trat hinaus. Wenige Meter von der Treppe entfernt war ein großer Fleck zu sehen.
    »Hier haben sie heute Nacht einen Verbrecher geschnappt.«
    »Einen Mörder?« Agnes versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu behalten.
    »Schlimmer. Einen Dieb – auf Diebe kann man sich nicht verlassen.«
    »Haben sie ihn getötet?« Agnes betrachtete den dunklen Fleck.
    »Da die Belohnung nur für lebende Ausbrecher gezahlt wird, nehme ich an, dass er zumindest noch lebte, als man ihn wieder eingebuchtet hat.«
    Agnes durfte nicht vergessen, dass sie nun Agne und demzufolge nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war.
    »Als Neuankömmling können Sie ja nicht wissen, dass wir in letzter Zeit eine ganze Reihe von Ausbrechern hatten. Dies war schon der zweite innerhalb eines Monats. Zuerst kommt der Kanonenschuss, der in der ganzen Stadt zu hören ist. Dann wird von der Hauptwache unten am Rathaus eine Patrouille losgeschickt. Nach dem Kanonenschuss schlagen oben auf Carlsten die Sturmglocken, und dann geht ein Trommler durch die Straßen, falls irgendjemand wider Erwarten nicht begriffen hat, was der Kanonenschuss bedeuten sollte.« Er lächelte.
    Agnes nickte.
    »Wir müssen darauf vorbereitet sein, uns zu verteidigen, falls jemand in den Innenhof eindringt. Deswegen möchte ich, dass Mauritz, Sie und die Bediensteten immer – vor allem nachts – die Waffen einsatzbereit halten. Und dass Sie lernen, damit umzugehen. In Ihrem Zimmer befindet sich ein hoher Schrank. Dort können Sie diese Steinschlossmuskete und Ihre persönliche Habe einschließen, solange Sie nicht zu Hause sind.« Agnes dachte an das Tagebuch, das nun sicher verwahrt in genau diesem Holzschrank lag. Kaufmann Widell griff nach der langen Waffe.
    »Mauritz kann die Muskete bedienen. Bitten Sie ihn, es Ihnen zu zeigen. Außerdem ist er in der Lage, in weniger als zwei Minuten nachzuladen. Es wäre gut, wenn Sie es auch auf diese Geschwindigkeit brächten.«
    Agnes nahm die schwere Waffe in die Hand. So hatte sie sich das ganz und gar nicht vorgestellt, als sie zu Hause in Näverkärr vor dem Spiegel saß und ihre Haare der Schere zum Opfer fielen.
    Oskar Ahlgren, Besitzer der Trankocherei auf Klöverö, tauchte im Laufe des Herbstes mehrmals auf. Wenn Mauritz da war, blieb er meist nur kurz, aber wenn Agnes allein im Laden arbeitete, hielt er sich gern ein wenig länger dort auf. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Freundschaft. Sie freute sich über seine Besuche und fasste Vertrauen zu ihm. Inzwischen wusste er, dass Agnes in einer Trankocherei gearbeitet hatte, und legte Wert auf ihre Meinung. Er hatte sogar sein Rezept zur Herstellung des Tranöls verändert, nachdem Agnes ihm einen Trick beigebracht hatte. Manchmal fragte sie sich, ob er ihr genauso interessiert zuhören würde, wenn er wüsste, dass sie kein Mann war. Manchmal sah er sie so merkwürdig an, aber mittlerweile fühlte sie sich in der Rolle von Agne sicherer. Ohne groß darüber nachzudenken, sprach sie in einer tieferen Tonlage und bewegte sich auch anders. Obwohl sie gelenkig war und relativ viel Kraft hatte, konnte sie nicht so viel heben wie Mauritz und die anderen draußen im Lager. Sie nutzte jede Gelegenheit, um sich selbst auf die Schippe zu nehmen und über ihren mickrigen Körper zu scherzen – ihre Stärke sei eher das helle Köpfchen. Niemand widersprach ihr. Sie machte in allen vier Lagerräumen eine Bestandsaufnahme und verbrachte immer mehr Zeit mit der Buchführung. Wenn Agnes kam und fragte, wo ein paar Rollen Stoff abgeblieben war, wusste jeder, dass man darauf besser eine passende Antwort parat hatte.
    Eines Nachts, als sie am Fenster stand, in den Sternenhimmel blickte und mit ihrer Großmutter sprach, sah sie jemanden über den Hof huschen. Zuerst glaubte sie,sich getäuscht zu haben, aber da hatte sich doch jemand bewegt! Agnes öffnete den Schrank und griff nach ihrer Steinschlossmuskete. Als sie die Papierhülse öffnete und das Schießpulver einfüllte, stellte sie fest, wie unhandlich die lange Waffe war. Sie zog Hose, Stiefel und einen

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