Die Waechter von Marstrand
Schwester verkaufen will.«
»Jessica«, begann Rickard, aber Jessica nahm wortlos ihr Weinglas und ging.
»Ein Grundsstück, das uns gar nicht gehört.« Rickard zeigte es Vendela auf der Karte.
»Da.«
Ein unspektakuläres Stück Ackerland. Ein schmaler Streifen am Fuß des Lindenbergs.
Widells Laden
Die Tage wurden dunkler, und im November fielen die ersten Schneeflocken. In den vergangenen Monaten war niemand mehr aus der Festung Carlsten ausgebrochen, und Mauritz überließ Agnes mittlerweile die Kundenund die Kasse allein. Sobald jedoch jemand darum bat, anschreiben zu lassen, fragte Agnes lieber doppelt und dreifach nach. Entweder bei Mauritz oder bei Kaufmann Widell. Hin und wieder kaufte der kleine Mann mit dem krummen Rücken ein, immer auf Pump. Agnes konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er die Summe, die mit der Zeit zusammengekommen war, jemals zurückzahlen sollte. Doch eines Morgens, als sie zur Arbeit erschien, signalisierte ein Strich im Buch, dass seine Schulden beglichen waren. Verwundert blätterte sie zurück und sah, dass der Mann es schon öfter so gemacht hatte. Große Schulden wurden auf einmal getilgt, und man fing bei Null wieder an. Agnes notierte sich das Datum. Für welche Waren oder Dienste, die dieser Mann zu bieten hatte, waren Mauritz oder Kaufmann Widell bereit, so viel zu bezahlen? Dass der Mann einfach hereingekommen und seine Schulden bar bezahlt hatte, glaubte Agnes zu keiner Sekunde. Es war ausgeschlossen.
Der letzte Kunde war vor kurzem gegangen, und sie hatte gerade die Tranlampe gelöscht. Sie wollte gerade den Riegel vor die Tür schieben, als sie mit einer solchen Wucht aufgestoßen wurde, dass sie das Gleichgewicht verlor. Schnell rappelte sie sich wieder auf, aber der maskierte Mann, der in den Laden eingedrungen war, packte sie und hielt ihr ein Messer an den Hals. Agnes spürte den kalten Stahl an der Kehle.
»Die Kasse.« Seine Stimme klang vollkommen ruhig.
»Da.« Agnes zeigte hinter den Tresen. Wo steckte Mauritz bloß? Guter Jesus, würde sie jetzt sterben? Hilf mir, wer auch immer du bist! Großmutter, hilf mir!
Der Mann schleifte sie hinter den Tresen. Die Klinge ritzte ihre Haut auf. Verzweifelt suchte Agnes einen Weg, um ihr Leben zu retten.
»Wo? Wo ist die Kasse?« Die Stimme klang nun angestrengter.
Hatte Mauritz sie mitgenommen? Sie konnte den Kasten, in dem sie das Geld aufbewahrten, nirgendwo entdecken. Allmählich stieg Panik in ihr hoch.
»Lassen sie mich die Kasse herausholen. Sie ist hinter dem Tresen versteckt.« Ihre Stimme war zu hell, sie war nicht mehr in der Lage, sie zu verstellen. Lieber Gott, lass die Kasse dort sein, dachte sie.
»Sie unternehmen gar nichts.« Der Mann hielt sie wie in einer Schraubzwinge gefangen. Mit dem Messer an ihrer Kehle wagte sie kaum zu atmen.
Durch die Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen.
»Bitte, lassen Sie mich das Geld suchen, dann können Sie gehen. Aber tun Sie mir nichts!«
Sie wollte sich bücken, um besser sehen zu können, aber der Mann glaubte anscheinend, sie machte Anstalten zu fliehen. Plötzlich spürte Agnes eine hastige Armbewegung, die sich wie ein Faustschlag gegen die Brust anfühlte. Anschließend lockerte er seinen Griff. Nun sah Agnes die Kasse, sie war ein Stück unter den Tresen gerutscht.
»Da ist sie«, sagte sie mit belegter Stimme und wollte danach greifen. In der Brust verspürte sie ein Brennen, und der linke Arm fühlte sich merkwürdig an. Der Mann drückte sie zur Seite, verbarg die Kasse unter seinem Mantel und hastete zur Tür. Vor dem Fenster bewegte sich ein Schatten. Hatte der Mann einen Komplizen dabei, der draußen auf ihn wartete? Und wo in Gottes Namen war Mauritz? Mit einem Mal flog die Tür auf und Oskar Ahlgren stürzte sich auf den Mann. Beide verloren das Gleichgewicht und die Kasse fiel scheppernd zu Boden. Doch der Mann war schnell wieder auf den Beinen und rannte davon. Oskar machte sich nicht die Mühe, ihn zu verfolgen, sondern wandte sich besorgt Agnes zu.
»Du blutest.« Er half ihr hochzukommen.
»Die Kasse«, murmelte Agnes.
»Pfeif auf die Kasse.«
Oskar führte sie zu einem Stuhl hinter dem Tresen. Agnes spürte, dass ihr Körper nicht mehr tat, was er sollte. Irgendetwas stimmte nicht.
Draußen vor dem Laden raffte eine Frau mit strähnigem Haar die Münzen zusammen. Sie warf einen gehetzten Blick in den Laden. Agnes kannte die Frau. Sie kam immer mit ihren abgemagerten Kindern im Schlepptau, und Agnes gab ihr jedes
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