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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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mitgebracht.«
    »Wirft die Fischerei so viel ab?«, fragte Agnes, bevor sie den Blick ihrer Tochter bemerkte.
    »Ich weiß nicht, aber ich hoffe es.« Lovisa seufzte.
    »Wann kommt Vater zurück?«, fragte sie.
    »Heute Abend, glaube ich. Oder morgen. Sei bitte vorsichtig, meine Liebe.«
    »Ja doch, Mutter.«

18
    Das alte Tagebuch hatte Astrid in seinen Bann gezogen. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, Vendela wegzuschicken, aber die Geschichte in dem ledernen Umschlag schien nach ihr zu rufen. Sie fühlte sich geradezu aufgefordert weiterzulesen. Gerührt dachte Astrid an Agnes, die in ihrer Kammer im Haus von Widells ihre Geschichte niedergeschrieben hatte. Die Widellschen Höfe in der Varvsgata existierten nicht mehr, sie fielen dem großen Brand von 1947 zum Opfer, aber Astrid erinnerte sich noch gut an die schönen Holzhäuser. Inzwischen befand sich dort die Villa Maritime, doch vor ihrem geistigen Auge konnte sie sogar noch das Fenster sehen, das vor so langer Zeit zu Agnes’ Kammer gehört hatte. Mehrmals war Astrid mitgekommen, wenn die Widells morgens mit Milch beliefert wurden. Sie blätterte um und strich über die schöne Handschrift. Manchmal rieselte sogar noch ein bisschen Salz zwischen den Seiten hervor. Feiner Sand, den vermutlich Agnes auf die feuchte Schrift gestreut hatte, damit die Tinte nicht verschmierte. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie die erste war, die dieses Tagebuch las, seit Agnes es verfasst hatte.
    Astrid seufzte erleichtert, als Oskar Ahlgren Agnes bei dem bewaffneten Überfall im Laden zu Hilfe kam. Oskar Ahlgren aus Klöverö, dachte Astrid bei sich. Dass die Kaufleute auf der Insel sich am Kapern und Schmuggeln beteiligt hatten, war allgemein bekannt. Das Kapern war das Eine, weil es im Rahmen der Gesetze stattfand, aber der Schmuggel und die Piraterie waren etwas anderes. Natürlich musste es verlockend gewesen sein, die Grenzen ein wenig auszuweiten und sich hin und wieder vom Kaperer in einen Seeräuber zu verwandeln. Vermutlich wusste die Jugend von heute gar nichts mehr davon, weil diese Dinge zum großen Teil in Vergessenheit geraten waren. Astrid selbst sah das hellgelbe Haus am Kai vor sich, das mit dem oxidierten Kupferdach, während sie das Buch las. An der Fassade stand bis heute ein W wie Widell. Dass ihre eigene Mutter mit zweitem Namen Agnes hieß, konnte kein Zufall sein.
    Einer der Gegenstände, die sie mitgenommen hatte, als der Bremsegård verkauft wurde, war die Familienbibel. Sie hatte noch nie einen Blick hineingeworfen. Überhaupt hatte sie damals ihre wenigen Habseligkeiten eingepackt, ohne den Umzug und den Verlust des Hofs wirklich zu akzeptieren. Nun ging sie zum Bücherregal im Wohnzimmer und zog die Bibel heraus. Warum war ihre Mutter auf den Namen Agnes getauft worden, und wieso tauchte das Tagebuch einer Agnes auf, wenn sie beide nicht verwandt waren? Behutsam schlug sie den Buchdeckel auf und las, was auf der Innenseite stand.
    »Hallo?«, ertönte eine Stimme aus dem Flur.
    Astrid konnte die Stimme nicht richtig zuordnen. Sie stellte die Bibel zurück ins Regal und ging in den Flur, um nachzusehen. Es war Rickards Frau Jessica, die sie zum ersten Mal besuchte.
    »Hallo. Kann ich dir irgendwie helfen?«
    »Nein, nein, ich brauche keine Hilfe. Du hast es aber … schön hier.« Jessica sah sich um. Astrid fragte sich, ob ihr vielleicht das Linoleum so gut gefiel.
    »Findest du?« Astrid lächelte.
    »Äh, ja, natürlich. Rickard lässt fragen, ob wir uns vielleicht ein paar Kartoffeln ausleihen können.«
    »Habe heute noch keine gelüftet.«
    »Gelüftet?« Jessica machte ein fragendes Gesicht.
    »Kartoffeln. Die wachsen im Gemüsegarten. Man muss sie erst aus der Erde holen.«
    »Ach so.«
    »Wir zwei haben uns noch nie vernünftig unterhalten. Setz dich doch. Ich koche uns einen Kaffee, und später hole ich dir die Kartoffeln.«
    Jessica schien zunächst protestieren zu wollen, aber dann setzte sie sich auf die weiße Gartenbank und hängte ihre Handtasche über die Lehne. Astrid schüttelte den Kopf. Ein Handtäschchen auf Klöverö? Doch man konnte nie wissen, vielleicht war sie ja unterwegs zur Eisdiele in Sten an der Nordspitze der Insel.
    Zehn Minuten später kam Astrid mit dem Kaffeetablett heraus. Jessica sah aus, als hätte sie längst wieder weg sein wollen, aber darum scherte Astrid sich überhaupt nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Jessica nach dem Brunnen fragen würde. Ein anderer Grund war für diesen unerwarteten

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