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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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finden war. Als ich das Grandma sagte, antwortete sie: »Jemand stattet hier regelmäßig Besuche ab, das ist mal sicher. Die Frage ist nur – warum? Ich sag euch was: Wir holen das Boot und sehen uns mal diesen Ort da an, den ihr gefunden habt.«
    Grandma setzte sich in das Boot, und Tom und ich schoben es ins Wasser. Ich ruderte, Tom saß vorne und spielte Kapitän. Es war eine angenehme Fahrt. Das Wetter war sonnig, die Strömung schnell und das Wasser gesprenkelt mit den Schatten überhängender Zweige.
    Am Ufer, auf der gewundenen Wurzel einer Weide, sonnte sich eine große Wasserschlange. Frösche platschten vom Ufer in den Fluss. Kleine schwarze Insekten schossen über die Wasseroberfläche, als seien sie nordische Eisläufer. Zweimal sah ich Schildkröten aus dem Wasser gucken, die wahrscheinlich nachsehen wollten, ob wir essbar seien – dann verschwanden sie wieder.
    Als wir das Boot auf das Ufer zogen und in den Tunnel gingen, war es ziemlich dunkel darin – schmale Streifen Sonnenlicht fielen hinein, ihre Ränder sahen aus wie die scharfen Schneiden der Schwerter von Erzengeln. Das Licht fiel auf die Stofffetzen und die Fotos aus dem Katalog. Grandma schaute sich um und berührte die Bilder und den Stoff.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das das Nest eines Mörders ist«, sagte sie. »Ein paar Kinder haben sich das hier eingerichtet – vermutlich Jungs. Sie haben sich den Stoff und ein paar Bilder aufgehängt, um das Ganze ein bisschen aufzupeppen.«
    »Aber auf den Bildern sind Frauen in Unterwäsche«, sagte ich.
    »Wenn du dich auf dem Plumpsklo mit Blättern aus dem Katalog abwischst, Harry – guckst du dir dann nicht diese Bilder an?«
    Ich wurde rot.
    Tom warf mir einen Blick zu, der hieß, dass sie bei Gelegenheit unbedingt mehr darüber erfahren wollte.
    »Man kann sehen, wo er sich ein Feuer gemacht hat«, sagte ich.
    »Kinder oder Landstreicher könnten das Feuer gemacht haben«, sagte Grandma. »Und wenn du mal drüber nachdenkst: warum sollte sich der Mörder hier ein Feuer machen? Ich glaube nicht, dass er sich lange hier aufhält. Ich glaube, er lebt mitten unter uns. Oder in unserer Nähe.«
    »Er könnte in der Nacht eins machen, damit er was sehen kann«, sagte Tom.
    »Ich nehme an, das wäre möglich«, sagte Grandma. Ich sah, dass sie sich bereits für eine Meinung entschieden hatte.
    »Aber er könnte sehr wohl hierher kommen«, sagte Tom. »Er könnte diesen Ort nutzen.«
    »Du könntest recht haben«, sagte Grandma. »Aber ich bin ziemlich sicher, das hier haben sich Kinder eingerichtet. Vielleicht lungert hier auch gern mal der eine oder andere Landstreicher rum.«
    »Ist das hier nicht ein bisschen weit draußen für Landstreicher?«
    »Wer weiß das schon«, sagte Grandma. »Lasst uns sehen, ob wir dieses Boot den Fluss raufgerudert kriegen, damit wir zu Hause sind, bevor eure Eltern von der Arbeit nach Hause kommen.«
    »Ach was«, sagte Tom. »Wir haben doch noch Zeit.«
    »Ja«, sagte Grandma, »aber wir gehen trotzdem.«
    Wir gingen zurück zum Boot und wollten es zurücktragen, aber als wir davorstanden, beschloss Grandma, dass es nicht der Mühe wert sei.
    »Mose ist tot«, sagte sie, »und wir werden nicht gegen die Strömung ankommen. Das Tragen wird uns fertig machen. Lasst es uns hier lassen. Außerdem, wer immer es letztes Mal zurückgebracht hat, wird’s vielleicht freundlicherweise wieder tun.«
    Wir gingen los. Den ganzen Weg zu der flachen Stelle im Fluss, an der wir ihn überqueren konnten, und den ganzen Weg zurück zum Auto hatte ich das Gefühl, dass jemand sich leise zwischen den Bäumen bewegte, uns aus dem Schatten durch die Blätter und Zweige ansah. Aber jedes Mal, wenn ich hinguckte, war da nichts außer den Wäldern, den Blättern und dem Fluss.
    *
    In dieser Nacht, als ich im Bett lag, dachte ich über alles nach und kam immer wieder zu demselben Schluss: Grandma war eine Erwachsene, und zwar eine clevere, aber sie war kein besserer Detektiv als Daddy, der nach eigener Aussage auch kein Meister dieses Faches war. Tom und ich waren auch nicht besonders gut – aber immerhin hatten wir beide denselben Verdacht. Der Mörder war der Ziegenmann, oder, wie Miss Maggie das genannt hatte, ein Reisender.
    Als ich an Miss Maggie dachte, wurde ich wieder traurig. Nie mehr würde ich ihr gutes Essen zu kosten bekommen, nie wieder ihre wundervollen Geschichten hören. Sie war weg. Ermordet in dem Haus, in dem ich so oft mit ihr gesessen hatte, und sie

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